Wandern für Bequeme
Im westlichen Zipfel des Nationalparks Böhmische Schweiz erleben Besucher spektakuläre Natur auf leichte Art
22. 5. 2013 - Text: Stefan WelzelText und Foto: Stefan Welzel
Es ist nicht zufällig das populärste Ausflugsziel des Elbsandsteingebirges im Nordwesten der Tschechischen Republik: das Prebischtor (Pravčická brána). Zahlreiche Kalenderbilder, Touristenbroschüren und Reiseführer ziert die größte Sandsteinfelsbrücke Europas. Eindrücklich spannt sich der Stein über 26 Meter von der einen Seite zur anderen. Und dies mit einer Torbogenstärke von drei Metern. Der Faszination dieses Naturdenkmals kann man sich kaum entziehen.
War das hautnahe Erkunden der Stelle vor Jahrhunderten nur geübten Wanderern vorbehalten, so kommt es heutzutage eher dem Bewerkstelligen eines etwas anspruchsvolleren Kletterpfads eines Kinderspielplatzes gleich – mit dem Unterschied, sich in einer zauberhaften Mittelgebirgswelt mit herrlicher Aussicht zu befinden.
Nicht wenige passionierte Trekking-Freunde meiden derartige Wanderrouten. Als zu touristisch, anspruchslos und plattgetreten erweisen sich die Pfade, die auf den nur rund 450 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Gipfel führen. Zuweilen sind die Wege so sorgfältig markiert, dass man sich in einem künstlich angelegten Erlebnispark wähnt. Doch alles dient dem einfachen Zweck, ein Stück Natur einem breiten Publikum zugänglich zu machen, das sich sonst kaum die Mühe machen würde, auf eigene Faust das Gebirge zu erkunden – Ausnahmen bestätigen die Regel. Übel nehmen sollte man dies den Verantwortlichen der Region nicht. Die relativ „harmlose“ Topographie des Gebirges ist gerade dazu prädestiniert, neben Schaulustigen mit begrenzten sportlichen Ambitionen auch die Feiertagswanderer anzulocken.
Um den Einstieg in den Nationalpark zu finden, braucht man kein Navigationsgerät. Es reicht, sich zu merken, an welcher Kreuzung der Überlandstraße 62 entlang der Elbe sich die Bretterbuden der meist vietnamesischen Kleider- und Ramschhändler befinden. Die Ortschaft dazu heißt Hřensko (Hermskretschen) und darf den Liebhaber individualtouristischer Ausflugsziele ohne kommerzielle und typisch grenznahe Begleiterscheinungen nicht daran hindern, seinen Weg entlang der Kamnitz (Kamenice) fortzusetzen. Diese fließt an jenem Punkt in die Elbe. Flussaufwärts säumen zahlreiche Gaststätten von der einfachen Pension bis zum Vier-Sterne-Hotel die Uferzeilen.
Da man sich nur einen Katzensprung von Deutschland entfernt befindet, darf man sich über die allseits auch auf Deutsch beschriebenen Hinweistafeln und des der Sprache mächtigen Dienstleistungspersonals erfreuen oder auch echauffieren – je nach Sichtweise. Es zeigt sich schnell: Wer ein Stück unberührte Natur erleben will, der ist hier nicht ganz am richtigen Ort. Für Einsteiger in Sachen Wandern eignet sich ein Ausflug in die Hügelzüge nördlich von Děčín allerdings bestens.
Steile Treppe oder schattige Schlucht
Mit dem öffentlichen wie auch privaten Verkehrsmittel gelangt man über die besagte Überlandstraße bis tief in den Nationalpark hinein. Vom Bahnhof Děčín aus fährt unmittelbar vor dem Eingang ein Bus im Stundentakt in Richtung Hřensko und Mezní Louka und teilweise weiter bis nach Krásná Lípa. Mit oder ohne Wanderkarte: Aussteigen und einen der gut ausgeschilderten Pfade in Angriff nehmen kann man ab Hřensko entlang des gesamten Weges.
In eine ganz besonders malerische und mythische Landschaft taucht man ein, wenn man der Kamnitz in die Klamm-Schlucht folgt. Zuerst noch relativ ruhig, steigern sich Enge und Neigungsgrad zunehmend. Die Felsformationen werden bizarrer und der Fluss schlängelt sich immer reißender um diese herum. Relativ kurz nach dem Einstieg in die Schlucht ist man allerdings gezwungen, ein Teilstück per Boot zu meistern – gegen entsprechendes Entgelt natürlich. Ein „Felsenweg“ führt danach teilweise sogar durch den Stein hindurch tief in den wilden Teil. An einer Wegmarke muss man sich dann entscheiden, ob man den steilen Treppenanstieg zur kleinen Ortschaft Mezná (Stimmersdorf) auf sich nehmen oder in der schattigen Schlucht verweilen möchte. In Mezná, einem kleinen verschlafenen Weiler, erwarten den Wanderer einige gastronomische Einkehrmöglichkeiten.
Tolkien lässt grüßen
Ein wachsames Auge sollte der Architekturfreund hier auf die zahlreichen klassischen und gut renovierten Umgebindehäuser werfen. Eingebettet in sanfte, saftig grüne Hügelzüge erinnert das Ensemble ein wenig an die Landschaft des großen Schweizer Bruders im Appenzell. Man könnte hier problemlos einen Heidi-Film drehen. Die Ortschaft ist bei Touristen sehr beliebt und kann mit einigen charmanten Pensionen und Land-
gasthäusern punkten.
Über eine Landstraße gelangt man nach Mezní Louka, Ausgangspunkt der roten Wanderroute in Richtung Prebischtor. Wobei man sich schon fragen muss, was daran schwer sein soll: Anfänglich breite Waldwege münden in gut gesicherte, in Sachen Schwierigkeitsgrad überschaubare Wanderpfade entlang der Felswände. Hinweistafeln erklären Interessierten Flora, Fauna und Geologie. Das ist ganz hübsch und nett, geradezu erholsam und damit perfekt für den sonntäglichen Familienausflug. Der Blick bis weit in die nordböhmische Ebene hinein auf die prächtigen Eichen- und Buchenwälder entlohnt fürstlich für den geringen Aufwand.
Bereits nach rund einer Stunde erreicht man das Prebischtor. Unmittelbar neben dem Sandsteinbogen ließ Fürst Edmund von Clary-Aldringen 1881 das Hotel „Falkennest“ („Sokolí hnízdo“) erbauen. Beim Anblick dieser Kombination wähnt man sich kurz in einer Szene der Verfilmung von Tolkiens „Herr der Ringe“. „Rivendale“, die märchenhafte Elbenhochburg, lässt grüßen. Leider wirkt der Ort dank erheblicher Eingriffe des Menschen so kommerzialisiert wie die erwähnten Filme. Um Hotel, Gaststätte, Steintor und Ausblick-Terrassen auf den umgebenden Gipfeln zu erreichen, muss man 50 Kronen oder 2 Euro bezahlen. Kinder genießen ermäßigten Eintritt (30 Kronen). So richtig sympathisch wirkt das nicht. Auch bei den zubetonierten Trassen zu den Aussichtspunkten muss man Abstriche machen. Was den tollen Blick natürlich nicht schmälert. Es ist insgesamt ein wunderschöner Ort, der eben dem Tourismus seinen Tribut zollt.
Möchte man die Böhmische Schweiz abseits der allgemein bewanderten Wege erkunden, empfiehlt es sich, Routen weiter östlich zu suchen. Dort finden sich ebenso wunderschöne Flusslandschaften, Felsformationen und Hügelzüge, jedoch ohne das touristische Brimborium. Allerdings sollte man sich ein Wochenende oder noch mehr Zeit dafür zu nehmen. Die Klamm-Prebischtor-Tour ist hingegen problemlos an einem Tag zu bewältigen. Auch für den bequemen Wanderer.
Sommerfrische in der Steiermark
An der Blutigen Straße