Der Kampf geht weiter
Präsident Zeman gibt im Streit um Professur eines homosexuellen Wissenschaftlers klein bei. Die Proteste für die akademische Freiheit halten trotzdem an
29. 5. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: čtk
Am Mittwoch, 15.30 Uhr trat der Literaturhistoriker Martin C. Putna vor die Kameras. Zum ersten Mal, seitdem sich der Präsident geweigert hatte, den katholischen und homosexuellen Intellektuellen zum Professor zu ernennen. Den Streit um sein Ordinariat erklärte Putna auf der improvisierten Pressekonferenz auf dem Hradschiner Platz für beendet. „Der Kampf um die akademische Freiheit“, so Putna, sei jedoch noch lange nicht ausgestanden.
Einige Stunden zuvor und wenige Meter entfernt hatte Miloš Zeman klein beigegeben. Er werde Putnas Ernennungsurkunde unterschreiben, die persönliche Verleihung jedoch überlasse er dem Bildungsminister Petr Fiala. So fand das Staatsoberhaupt doch noch einen Weg, seinem ungestümen Vorstoß, mit dem er auf breite Entrüstung bei Politikern und in der Zivilgesellschaft gestoßen war, so etwas wie staatsmännische Weitsicht zu verleihen: „Entweder ihr wollt, dass der Präsident die Professoren ernennt und müsst akzeptieren, dass der Präsident, natürlich aus den entsprechenden Gründen, manch Ernennung ablehnt, oder ihr wollt das nicht.“ In diesem Falle solle man das Hochschulgesetz ändern, so wie er es dem Minister vorgeschlagen habe. Die Ernennung durch den Präsidenten sei laut Zeman ein feudales Überbleibsel, in Zukunft solle sie dem Bildungsminister obliegen. Aber weiterhin gilt: Vor „dieser Person“ fehle ihm aus genannten Gründen immer noch jegliche Achtung.
„Diese Person“ ist Martin C. Putna. Als einer von 65 Wissenschaftlern hätte er am 11. Juni – wie in Tschechien üblich aus den Händen des Staatsoberhaupts – seine Ernennungsurkunde zum Professor entgegennehmen sollen. Zemans Vorgänger begriffen die Bestätigung des Berufungsverfahrens stets als rein formalen Akt. Die Gründe, warum er im Falle des Spezialisten für Katholizismus in der böhmischen Literatur eine Professur für unangemessen hielt, wollte Zeman zunächst nicht nennen – um Putna nicht bloßzustellen, hieß es.
Nachdem sich der Verdacht immer mehr verhärtete, es ginge um Rache für Putnas Unterstützung für Karel Schwarzenberg im Präsidentschaftswahlkampf, bezeichnete Zeman schließlich ein Transparent als den Stein des Anstoßes. Auf einer Homosexuellen-Parade im Jahr 2011 richtete sich Putna mit einem Grußwort an den rechtskonservativen Ladislav Bátora, der zu einer Gegendemonstration aufgerufen hatte. „Katholische Tunten grüßen Bátora“, war dort zu lesen. Mit Putnas sexueller Orientierung, beteuerte Zeman, habe sein Veto nichts zu tun.
Lähmender Konformismus
Während der Fall Putna für die meisten Politiker vom Tisch ist, brechen Kritik und Proteste nicht ab. Es habe sich nicht nur um einen Angriff auf die Autonomie der Hochschulen und die Meinungsfreiheit gehandelt, erklärte der Parteichef der Grünen Ondřej Liška. Der Streit zeuge auch vom „viel allgemeineren und gewichtigeren Problem des Konformismus, der zwar von Vorteil für technokratische Machthaber ist, jedoch die Entwicklung der Gesellschaft lähmt.“ Liška lud am Donnerstag zu einer Protestkundgebung ein, an der rund 200 Menschen teilnahmen. Sie kritisierten unter anderem, dass Putna, nur weil er beim Präsidenten in Ungnade gefallen sei, seinen Titel nicht im Rahmen der offiziellen Zeremonie entgegennehmen darf. Einem öffentlichen Aufruf zum Boykott der Veranstaltung folgte bislang nur der Rektor der Südböhmischen Universität in České Budějovice, Libor Grubhoffer.
Eine Diskussion entbrannte auch über die mögliche künftige Ernennung durch den Minister. Unter anderem warnt der Akademische Senat der Prager Karls-Universität vor einer weiteren politischen Einflussnahme. Regierungschef Petr Nečas (ODS) sprach sich dafür aus, die Ernennung der Professoren ganz der akademischen Sphäre zu überlassen.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“