Von der Werkbank zum Hightech-Standort
DTIHK-Geschäftsführer Bernard Bauer schaut zurück auf zwei Jahrzehnte Wirtschaftsbeziehungen
19. 6. 2013 - Interview: Josef Füllenbach
Zur Freude hat Bernard Bauer allen Grund. Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen, unter anderem an diesem Donnerstag auf dem Sommerfest in der Deutschen Botschaft Prag. Bauer, seit 2006 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der DTIHK, blickt im Gespräch mit PZ-Mitarbeiter Josef Füllenbach auf eine Erfolgsgeschichte zurück: die Entwicklung der deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen. Damit das so weitergeht, wünscht sich Bauer vor allem eines: mehr qualifizierte Fachkräfte in Tschechien.
Herr Bauer, wie bewerten Sie die Bilanz der deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen in den vergangenen 20 Jahren?
Bernard Bauer: Wir haben es eindeutig mit einer Erfolgsstory zu tun. Die neunziger Jahre waren turbulent – wegen der Bankenkrise und schon vorher wegen der Privatisierungswellen. Es wurde mitunter diskutiert, ob ausländische Unternehmen an der Privatisierung beteiligt sein sollen. Heute wissen wir, dass alle von den ausländischen Investitionen profitiert haben. Zugleich ist Deutschland für Tschechien der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Umgekehrt zählt Tschechien für Deutschland zu den wichtigsten Partnern und spielt in einer Liga mit größeren Ländern wie Russland oder Polen. Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Tschechien haben also eine beeindruckende Entwicklung hinter sich.
Noch vor 20 Jahren galt Tschechien neben weiteren Ländern in Mittel- und Osteuropa für viele deutsche Investoren als „verlängerte Werkbank“. Ist das heute auch noch so?
Bauer: In den Neunzigern stand tatsächlich noch die einfache, personell und manuell aufwändige Produktion und Montage im Vordergrund. Das ist heute anders: Die Produktion im Hochtechnologie-Bereich ist zum Schwerpunkt geworden, zum Beispiel im Maschinen- und Fahrzeugbau, aber auch im Elektrobereich, in der Chemie und Medizintechnik. Hier findet in Tschechien ein wichtiger Teil der Wertschöpfung deutscher Unternehmen statt.
Spielen für deutsche Investoren in Tschechien unterschiedliche Verhaltensweisen, Einstellungen und Denkweisen noch eine wichtige Rolle?
Bauer: Interkulturelle Unterschiede sind für die internationale Zusammenarbeit immer wichtig und werden oft unterschätzt. Im deutsch-tschechischen Kontext sind sie jedoch überschaubar und heute ohnehin geringer als vor 20 Jahren. Oft ist die jeweilige Unternehmenskultur wichtiger. Nationale Unterschiede müssen auch kein Problem sein. Wenn eine tolerante und aufgeschlossene Grundeinstellung vorliegt, lassen sich etwaige Vorurteile überwinden. Dazu gehört die Bereitschaft, bei vermeintlich unerklärlichen Konflikten kulturelle Missverständnisse als mögliche Ursache mitzudenken. Insgesamt sind sich Deutsche und Tschechen aber kulturell doch sehr nahe. Wichtiger ist oft die Persönlichkeit, mit der man es zu tun hat, oder die jeweilige Situation und mitunter die Unternehmenskultur.
Die deutschen Investoren sind nach Ihren Umfragen mit ihrem Engagement in Tschechien meist zufrieden. Einige würden jedoch den Schritt nach Böhmen oder Mähren nicht noch einmal tun. Gibt es dafür konkrete Gründe?
Bauer: Die Konstellationen bei Investitionsentscheidungen sind von Fall zu Fall sehr spezifisch und letztlich muss das Gesamtpaket in einem Land rentabler sein als der Konkurrenzstandort. Nach unseren Erfahrungen entscheidet heute in vielen Branchen letztlich die Verfügbarkeit gut qualifizierter Fachkräfte. Hier hat sich die Situation in den vergangenen Jahren in Tschechien eher verschlechtert. Und deshalb engagieren wir uns gemeinsam mit unseren Mitgliedern auch seit Jahren besonders für eine praxisnahe und qualifizierte Berufsausbildung.
Immer weniger junge Tschechen lernen Deutsch. Sehen Sie darin ein Problem für die Zusammenarbeit oder finden sich Ihre Mitgliedsunternehmen bereits mit Englisch ab?
Bauer: Nach unseren Umfragen legen sehr viele deutsche Unternehmen großen Wert auf solide Fremdsprachenkenntnisse. Für über 90 Prozent ist die Kenntnis der deutschen Sprache wichtig oder sehr wichtig. Englisch kann das Deutsche nicht ersetzen, wenn es um die Korrespondenz mit deutschen Kunden oder um Personalentwicklungsprogramme im Mutterunternehmen geht. Auch die interne Korrespondenz läuft oft auf Deutsch, gerade auf höheren Ebenen. Deshalb sind wir sehr froh über die Entscheidung der tschechischen Regierung, in den Schulen wieder eine zweite Fremdsprache als Pflichtfach einzuführen.
Und wie steht es um die Bereitschaft hiesiger Deutscher, Tschechisch zu lernen?
Bauer: Dafür ist oft die Aufenthaltsdauer im Land ausschlaggebend. Ist absehbar, dass der Mitarbeiter nach wenigen Jahren bereits in einem anderen Land arbeiten wird, erscheint manchen Expats der Aufwand fürs Tschechisch-Lernen unverhältnismäßig. Oft ist die Zeit bei solchen entsandten Führungskräften ja auch so schon knapp. Andererseits kenne ich vor allem in mittelständischen Firmen einige Geschäftsführer, die schon seit Jahren in Tschechien sind und hervorragend Tschechisch gelernt haben.
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