Nachrichten aus der Dose
Historische Rohrpost soll wieder instand gesetzt werden
17. 10. 2012 - Text: Aureliusz M. PędziwolText: Aureliusz Pędziwol; Foto: čtk
Im Zeitalter elektronischer Kommunikation zählt sie wohl zu den überholten Eigenarten der Postgeschichte: die Übersendung von Nachrichten mittels Rohrpost. In Prag blickt das durchdachte Zustellsystem via Postbüchse auf eine lange Tradition zurück. Bereits 1887 wurde die erste Trasse errichtet, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts folgte der Ausbau. Mit über 50 Kilometern Länge verfügt Prag heute über das einzige noch erhaltene städtische Rohrpost-System der Welt. 2002 durch das Hochwasser zum Erliegen gekommen, soll sie nun – zumindest teilweise – wieder instand gesetzt werden.
Zdeněk Dražil, seit August dieses Jahres neuer Eigentümer des Röhrensystems, beabsichtigt, die Anlage nicht nur voll funktionstüchtig, sondern auch zu einer großen touristischen Attraktion der tschechischen Hauptstadt zu machen. Kennengelernt hatte Dražil die technische Rarität zum ersten Mal vor 20 Jahren; seitdem schwärmt der Inhaber der Prager IT-Gesellschaften wind.com und ASTEC von ihr. Sein Traum von der Bewahrung des einzigartigen Systems verwirklichte sich dann im Sommer, als der bisherige Besitzer, das Telekommunikationsunternehmen Telefónica, ihm die städtische Rohrpost verkaufte. Nun ist Dražil auf der Suche nach Sponsoren, die die erforderliche Summe in Millionenhöhe für eine Restaurierung und Wiederinstandsetzung der alten Maschinerie gewährleisten können.
Vorbild Wien
Die erste Rohrpost entstand im Jahre 1853 in London, sie funktionierte bis zur ihrer Schließung lediglich als interne Einrichtung der Royal Mail. Vorbild für die Prager Rohrpost dürfte die im März 1875 in Betrieb genommene Wiener Anlage gewesen sein. Die erste Verbindung wurde zwischen der Hauptpost in der Jindřišská-Straße am Wenzelsplatz und dem Postamt im „Haus Rott“ („U Rotta“) am Kleinen Ring (Malé náměstí) in der Altstadt errichtet. Zunächst diente sie vor allem der Zusendung von Telegrammen zwischen beiden Postämtern, fungierte also im Dienste interner Belange. Erst am 4. März 1899 wurde die bis zur Burg verlängerte Rohrpost zu einer öffentlich nutzbaren Vorrichtung. Die Trasse umfasste zu diesem Zeitpunkt über fünf Kilometer Länge.
Der Hauptausbau der Prager Rohrpost erfolgte in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs zwischen 1927 und 1932. Mit dem Bau weiterer Trassen wurden die Stadtteile Smíchov, Holešovice und Vinohrady an das Netz angebunden. Letztlich erreichte das unterirdische Röhrensystem eine Gesamtlänge von 55 Kilometern und umfasste insgesamt 46 Stationen.
Die Leitungen der Haupttrassen bestanden aus zwei Stahlrohren mit einem Durchmesser von 65 Millimetern, wobei eines dem Versand, das andere dem Empfang der Behälter diente. Der Transport der Postsendungen erfolgte in zylindrischen Aluminiumbüchsen, die mitunter bis zu drei Kilogramm wogen. Durch die Röhren wurden sie mithilfe von Druckluft befördert. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 36 Stundenkilometern erreichte eine von der Hauptpost verschickte Fracht die fünf Kilometer entfernte Burg in etwa acht Minuten. Ein Tempo, mit dem kein Kurier mehr hätte Schritt halten können.
Ihre Blüte erlebte die Rohrpost Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre, als rund 30.000 Sendungen pro Monat das unterirdische Kanalsystem durchliefen. Noch in den neunziger Jahren nutzten mehr als 20 Firmen das Netz. Etwa 9.000 Postbüchsen wurden monatlich zu einem Pauschalpreis von 4.000 Kronen – zuzüglich 3,20 Kronen pro Sendung – verschickt. In den Folgejahren flaute der Betrieb ab, bis ihm das verheerende Hochwasser von 2002 schließlich ganz ein Ende setzte.
Zurück zur Burg
Mit den eingeworbenen finanziellen Mitteln plant Dražil die „Ur-Strecke“ von der Hauptpost am Wenzelsplatz hinauf zur Prager Burg wiederzubeleben. Die Station, die sich derzeit in den Räumen des Burgpostamtes befindet, soll verlegt und zur touristischen Attraktion werden. Dražil will vor allem Schulen für Exkursionen gewinnen, um den Betrieb der Rohrpost langfristig zu finanzieren. Ein Eintrag in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO wäre sein Traum, so Dražil. Schließlich gibt es das nationale technische Denkmal kein zweites Mal auf der Welt.
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