Mehr als eine Marke
130 Jahre nach seiner Geburt ist Franz Kafka auch literarisch in seiner Heimat angekommen
3. 7. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: čtk
Erst als Prag 1990 aus dem sozialistischen Dornröschenschlaf erwachte, feierte auch Franz Kafka den „Durchbruch“ in seiner Heimatstadt. International galt der Literat, der am 3. Juli seinen 130. Geburtstag feiert, seit dem Zweiten Weltkrieg als Schriftsteller von Weltrang, in der Tschechoslowakei wurde sein Werk ignoriert. Nach der Wende erlebte Prag dann eine regelrechte Kafka-Inflation – allerdings vor allem als vielfältig einsetzbares Markenzeichen im damals beginnenden Touristenboom: Kafka auf T-Shirts, auf Tassen, Kafka-Spaziergänge und –Rundfahrten, selbst „Kafka-Schnitzel“ tauchten auf Speisekarten auf – und dass obwohl der Schriftsteller Vegetarier war.
Kafka-Tassen und Kafka-T-Shirts bekommt man in Prag heute immer noch. Und natürlich gibt es ein Kafka-Museum, ein Restaurant Kafka oder einen Franz-Kafka-Platz. Aber die Omnipräsenz vom Beginn der neunziger Jahre ist vorbei. „Oder wir haben uns einfach daran gewöhnt, so dass es nicht mehr besonders auffällt“, meint Markéta Mališová, die Direktorin der Prager Franz-Kafka-Gesellschaft. „Salzburg hat seinen Mozart, Wien seinen Klimt, Dublin James Joyce. Wenn berühmte Namen mit bestimmten Orten in Verbindung stehen, dann blüht das Souvenir-Geschäft“, so Mališová.
Allerdings ist Kafka nicht bloß ein Prager Marketing-Artikel, sondern in den vergangenen 20 Jahren auch literarisch in seiner Heimat angekommen. Noch 25 Jahre nach seinem Tod war er in der Tschechoslowakei ein wenig bekannter Autor. Die kommunistische Machtübernahme 1948 verhinderte eine Verbreitung seines Werkes, der offiziellen Ideologie galt es als „dekadent“ und „pessimistisch“. Zarte Rehabilitierungsversuche gab es in den sechziger Jahren. Aber erst nach 1989 konnte sich Kafkas Literatur in Tschechien frei entfalten. Vor sechs Jahren gab die Franz-Kafka-Gesellschaft den letzten Band der gesammelten Werke heraus. Mittlerweile ist der Prager Autor auch im kulturellen Bewusstsein der Tschechen eine feste Größe.
Markéta Mališová hat mit der „Souvenir-Marke“ Kafka kein Problem: „Es ist doch ganz normal, dass man in jeder bedeutenden Galerie neben Katalogen und Fachpublikationen auch Souvenir-Artikel kaufen kann. Die Prag-Besucher können sich Kafkas Bücher zu Hause in ihrer Muttersprache kaufen, aus Prag nehmen sie gerne eine Postkarte oder ein Kafka-T-Shirt mit“, so die Direktorin der Franz-Kafka-Gesellschaft.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?