Das neue Kabinett im Überblick
Drei Wochen nach dem Rücktritt von Premier Petr Nečas (ODS) hat Staatspräsident Miloš Zeman die von ihm gewünschte Beamtenregierung ernannt.
18. 7. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: vlada.cz
Bis 8. August muss sie sich der Vertrauensfrage im Parlament stellen. Unter Rusnoks 14 Ministern befinden sich ehemalige Sozialdemokraten, enge Vertraute von Präsident Zeman und frühere Regierungsmitglieder.
Jiří Rusnok, Ministerpräsident
Der 52-Jährige gilt als enger Weggefährte Zemans und ausgewiesener Wirtschaftsexperte. Zwischen 2001 und 2003 leitete er zunächst das Finanz-, später das Wirtschaftsministerium. Es war Zeman, damals noch Regierungschef, der ihn in das Kabinett holte. Rusnok galt innerhalb der ČSSD, aus der er Anfang 2010 austrat, stets als Anhänger des heutigen Staatspräsidenten. Offen stellte er sich gegen den damaligen Ministerpräsidenten Vladimír Špidla und forderte ihn 2003 bei der Wahl zum Parteivorsitzenden heraus – ohne Erfolg. Als Zeman bei der Präsidentschaftswahl im gleichen Jahr, auch aufgrund parteiinterner Uneinigkeit, Václav Klaus unterlag, legte Rusnok aus Protest sein Abgeordnetenmandat nieder. In der Folgezeit leitete er eine Rentenfonds-Gesellschaft und arbeitete als Wirtschaftsberater im Kabinett von Mirek Topolánek (ODS). Rusnok sollte auch Zeman in wirtschaftlichen Fragen zur Seite stehen, doch für die nächste Zeit wird er einer Regierung von 14 Ministern vorstehen.
Martin Pecina, Inneres
Der Generaldirektor des Maschinenbauunternehmens Vítkovice Power Engineering Pecina bekleidete das Amt des Innenministers bereits in der Beamtenregierung von Jan Fischer (2009–2010), zuvor leitete er das Tschechische Kartellamt. Bis zum Jahr 1997 war er Mitglied der Bürgerdemokraten (ODS), 2001 trat er der Sozialdemokratischen Partei (ČSSD) bei. Seinen Austritt gab er im Januar 2013 bekannt, da die ČSSD im Präsidentschaftswahlkampf nicht Miloš Zeman unterstützte, sondern einen eigenen Kandidaten aufstellte. Pecina will nicht nur die Zahl der Polizeibeamten, sondern auch deren Gehälter erhöhen. Als weitere Priorität sieht er den Kampf gegen den Extremismus an.
Jan Kohout, auswärtige Angelegenheiten
Nach seiner Zeit als Außenminister und stellvertretender Vorsitzender der Regierung von Jan Fischer (2009–10) saß Kohout im Aufsichtsrat des halbstaatlichen Energieunternehmens ČEZ. Als Botschafter vertrat er Tschechien unter anderem bei den Vereinten Nationen und der EU. Im Jahr 1995 trat er der ČSSD bei. Nun will Kohout dabei helfen, die tschechische Wirtschaft aus der Krise zu führen und neue Botschafter ernennen.
Jiří Cienciala, Industrie und Handel
Der Direktor der Hochschule für Unternehmensmanagement in Ostrava (seit 2012) war zuvor 14 Jahre lang in den Eisenwerken Třinec tätig. Der 63-Jährige studierte Elektrotechnik in Brünn. Cienciala will in den kommenden Monaten eine Einfuhrbeschränkung von Stahl durchsetzen, Tschechien als Industriestandort stärken und sich intensiv der Energiepolitik widmen.
Jan Fischer, Finanzen
Die Ernennung des ehemaligen Regierungschefs und Leiters des Tschechischen Statistikamtes (ČSÚ) ist aufgrund der unklaren Finanzierung seiner Wahlkampagne in der Präsidentschaftswahl umstritten. In seiner neuen Funktion hat sich Fischer viel vorgenommen. Unter anderem will er die tschechische Wirtschaft aus der Rezession führen, Mittel zur stärkeren Förderung von Wissenschaft und Forschung freisetzen sowie das Steuersystem stabilisieren.
Jiří Balvín, Kultur
Der einstige Generaldirektor des Tschechischen Fernsehens (2001–02) und Geschäftsführer des Musiksenders Óčko (2003–2012) arbeitete 25 Jahre lang in der Fernsehbranche. Zudem leitete er die Marketinggesellschaft des Tschechischen Tennisbundes. Im Präsidentschaftswahlkampf setzte er sich vehement für Miloš Zeman ein. Zu seinen Prioritäten als Kulturminister zählt er die Einführung neuer Gesetze für Autorenrechte und Denkmalschutz. Zudem will Balvín dafür sorgen, dass sein Ressort ein höheres Budget erhält.
František Koníček, Arbeit und Soziales
Der ehemalige Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei leitete 2006 und 2007 die staatliche Forstverwaltung (Lesy ČR). Zuvor war er zwei Jahre lang Stellvertreter des Arbeits- und Sozialministers und jetzigen Vizevorsitzenden der ČSSD Zdeněk Škromach. Seine Mitgliedschaft in der ČSSD hat Koníček für sein Ministeramt ebenso unterbrochen wie Justizministerin Marie Benešová. Als Arbeitsminister will er den gesetzlichen Mindestlohn um 500 Kronen anheben, die Effizienz der Arbeitsämter erhöhen und die Abwicklung des gescheiterten Projekts „sKarty“ („Sozialkarten“) überwachen.
Vlastimil Picek, Verteidigung
Picek ist der einzige Minister, der sein Amt bereits in der Regierung von Premier Petr Nečas (ODS) innehatte. Der Armeegeneral wurde 2009 zum Chef des Generalstabs der Streitkräfte ernannt, 2012 zum stellvertretenden Verteidigungsminister und im März 2013 schließlich zum Verteidigungsminister. In den kommenden Monaten will er die Gesetze verabschieden lassen, die sein Ministerium bereits vorbereitet hat. Diese betreffen unter anderem die Auslandsmissionen tschechischer Soldaten in den Jahren 2015 und 2016.
Tomáš Podivínský, Umwelt
Nach seinem Studium arbeitete Podivínský zunächst als Journalist und Manager, bevor er im Jahr 1996 in den auswärtigen Dienst wechselte. Zwischen 1997 und 2000 arbeitete er an der Botschaft in Wien, von 2005 bis 2009 war er Generalkonsul in Dresden. Zuletzt war für den Staatlichen Umweltfonds tätig. Als Minister will er sich dem neuen Energiesparprogramm „Nová zelená úsporám“, dem Ausbau des AKW Temelín und dem Hochwasserschutz widmen. Zudem hat er sich vorgenommen, die Luftqualität in Nordmähren zu verbessern.
František Lukl, Regioalentwicklung
Der 35-jährige Bürgermeister der südmährischen Kleinstadt Kyjov und Vizevorsitzende des Städtebundes will als Minister die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission über die Bedingungen für die kommende Förderperiode abschließen. Zudem zählt er die Beseitigung der durch das Juni-Hochwasser verursachten Schäden zu seinen primären Aufgaben.
Miroslav Toman, Landwirtschaft
Der Präsident der Tschechischen Lebensmittelkammer und Vorstandsmitglied der Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer arbeitete in den Jahren 1996 bis 2001 als Handelsdelegierter an den Botschaften in Washington und Bratislava. Nun tritt er in die Fußstapfen seines Vaters, der in den achtziger Jahren in der damaligen ČSSR das Amt des Landwirtschaftsministers bekleidete. Toman kündigte an, die vom Juni-Hochwasser geschädigten Landwirte unterstützen und außerdem Stellen in seinem Ministerium abbauen zu wollen.
Zdeněk Žák, Verkehr
Der 45-Jährige hatte in den vergangenen Jahren unterschiedliche Positionen bei der Tschechischen Bahn (ČD) inne, unter anderem saß er dem Aufsichtsrat vor. Ende der neunziger Jahre war er Berater von Premier Miloš Zeman, im Jahr 2009 Stellvertreter des damaligen Verkehrsminister Petr Bendl (ODS). Als Minister will er die ihm zur Verfügung stehenden Gelder „so effektiv wie möglich“ ausnutzen, von der EU mitfinanzierte Verkehrsprojekte forcieren und sich der angespannten Lage in der Baubranche widmen.
Marie Benešová, Justiz
Die ehemalige Oberste Staatsanwältin (1999–2005) und Schattenministerin der Sozialdemokraten (2006–2010) war bis März dieses Jahres stellvertretende Vorsitzende der ČSSD. Im Präsidentschaftswahlkampf unterstützte sie öffentlich Zeman, obwohl ihre Partei mit Jiří Dienstbier einen eigenen Kandidaten stellte. Nachdem Zeman zum Präsidenten gewählt wurde, gehörte sie seinem Beraterstab an. Als Ministerin will sie sich unter anderem mit der Umgestaltung des Gefängniswesens befassen.
Martin Holcát, Gesundheit
Holcát war 1999 und 2000 Staatssekretär im Gesundheitsministerium. Seit über 15 Jahren ist der Mediziner in unterschiedlichen Funktionen im Universitätsklinikum Motol tätig. Als Gesundheitsminister will er unter anderem die Gebühren für Krankenhausaufenthalte senken und den Zugang zur ärztlichen Versorgung verbessern.
Dalibor Štys, Schulwesen
Der Naturwissenschaftler leitete an der Südböhmischen Universität in České Budějovice das Institut für Biophysik, bevor er zu Beginn dieses Jahres zum Leiter der Abteilung für Forschung und Entwicklung am Bildungsministerium ernannt wurde. Den Entwurf eines neuen Hochschulgesetzes lehnt er ab; befassen will sich Štys vor allem mit den umstrittenen Abschlussprüfungen der Fünft– und Neuntklässler an tschechischen Schulen.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“