„Unhaltbare Rechtslage“
Junge tschechische Mütter kämpfen in Straßburg für das Recht auf Hausgeburten
7. 8. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: mn; Foto: Jason Lander
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Vertreter der tschechischen Regierung zu einer öffentlichen Anhörung geladen. Grund ist Tschechiens strenge Haltung zu Hausgeburten. Entbindungen ohne ärztliche Aufsicht sind hierzulande zwar nicht verboten, allerdings müssen Hebammen dafür derart strenge Auflagen erfüllen, dass Hausgeburten praktisch unmöglich sind. Geburtshelferinnen, die sich über diese Regelungen hinwegsetzen, drohen Strafen von bis zu einer Million Kronen (etwa 39.000 Euro).
Seit mehreren Jahren kämpfen einige Aktivisten für eine Lockerung der Bedingungen. Frauen wie die 28-jährige Šárka aus Nordböhmen. Ihren Sohn hat sie zu Hause zur Welt gebracht, alleine. Denn in der Region Liberec (Reichenberg) gibt es keine Geburtsassistentin, die von den Behörden eine entsprechende Genehmigung erhalten hätte.
Laut dem Nachrichtenportal „idnes.cz“ fordert die Mutter zweier Kinder vor den Richtern in Straßburg nun eine Entschädigung und eine Gesetzesänderung, die Frauen ausdrücklich das Recht auf eine Hausgeburt mit gesundheitlicher Betreuung zuspricht. Das erklärte Zuzana Candigliota von der Nichtregierungsorganisation Liga für Menschenrechte (Liga lidských práv). Der Klage gegen den Staat hat sich eine weitere junge Mutter aus Prag angeschlossen.
Klage abgewiesen
Šárka hatte in der Vergangenheit bereits vor dem tschechischen Verfassungsgericht geklagt. Allerdings wies die höchste richterliche Instanz die Klage im Januar dieses Jahres ab. Begründung: Die junge Frau hatte auf dem Rechtsweg niedrigere Instanzen übersprungen. Gleichzeitig riefen die Verfassungshüter zu einer offenen Diskussion über Hausgeburten auf – sie beriefen sich dabei auf eine vorherige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
Unter dem ehemaligen Minister Leoš Heger (TOP 09) kam es zwar zur Gründung einer Arbeitsgruppe am Gesundheitsministerium, die sich mit der rechtlichen Gleichstellung alternativer Geburtsformen auseinandersetzt. Allerdings wurden bald darauf die Verfechter von Hausgeburten aus der Arbeitsgruppe entlassen. In einer später veröffentlichten Absichtserklärung heißt es, Hebammen dürften Geburten de jure nur in Kliniken betreuen. Laut dem Ministerium könne nur so eine ausreichende medizinische Pflege für Kind und Mutter gewährleistet werden. Kritisiert wird diese Haltung unter anderem von der Regierungsbeauftragten für Menschenrechte Monika Šimůnková. Die momentane Rechtslage sei „unhaltbar”.
Die öffentliche Anhörung in Straßburg ist für den 10. September angesetzt. Für diesen vergleichsweise offensiven Schritt habe man sich laut einer Stellungnahme auf den Internetseiten des Europäischen Gerichtshofs aufgrund der „Anzahl der Beschwerden, die dadurch verhandelt werden“ geeinigt.
Die tschechische Regierung wird laut Angaben von „idnes.cz“ dahingehend argumentieren, dass die Menschenrechte der Frauen nicht verletzt wurden, weil die Straßburger Richter zur Problematik bislang nicht eindeutig Stellung bezogen haben. Ob sie im September zu einem Urteil kommen werden, ist unklar.
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