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Bilder aus fremden Welten: Fotografien von Jacob Aue Sobol in der Leica Gallery
7. 8. 2013 - Text: Christian Müller-BreitenkampText: Christian Müller-Breitenkamp; Foto: Jacob Aue Sobol/Magnum Photos
„Wenn ich fotografiere, versuche ich mich so gut wie möglich auf meinen Instinkt zu verlassen. Wenn man nicht über die Motive nachdenkt, wenn sie ungeplant sind, werden die Fotos lebendig, dann zeigen sie nicht nur, sondern sind auch etwas.“
Mit diesen Worten beschreibt der Däne Jacob Aue Sobol seinen künstlerischen Ansatz. Die Arbeiten des 1976 in Kopenhagen geborenen Fotografen, der unter anderem am renommierten European Film College und der Danish School of Documentary and Art Photography studierte, wurden bereits in New York, Madrid und Paris ausgestellt. Nun sind einige Bilder aus seinem aktuellen Zyklus „Arrivals and Departures – Moscow, Ulanbaatar, Bejing“ („Ankünfte und Abreisen – Moskau, Ulan Bator, Peking“) in der Prager Leica Gallery zu sehen.
Die ausgestellten Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen beeindruckende Impressionen seiner langen Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn. Die Bilder erlauben einen intimen, künstlerischen und gleichzeitig authentischen Einblick in die Lebensrealitäten der Menschen, denen der Fotograf während seiner Fahrt begegnete. Zugleich geben sie Zeugnis von Sobols Auffassung, dass nur die Schwarz-Weiß-Fotografie ihm eine Stimme geben könne und es ihm ermöglicht, Nähe und Intimität zu schaffen. Die Fotos lenken den Betrachter nicht durch Farbeffekte und andere Spielereien ab, sie lassen Nebensächlichkeiten in den Hintergrund treten und stellen Offensichtliches besonders deutlich heraus. Vor allem die Porträt-Aufnahmen wirken dadurch sehr beeindruckend. Die gezeigten Personen erscheinen ungeschminkt, wodurch beim Betrachten ein großes Maß an Direktheit und Vertrautheit entsteht.
Auch Detailaufnahmen aus nächster Nähe, wie zum Beispiel der notdürftig geschiente Finger eines Koffer tragenden Mannes oder das Bild abgetragener Schuhe, sind nicht minder imposant. Interessant ist zudem, dass Sobol seinen Fotos keine Titel gegeben hat. Da zusätzliche Informationen fehlen, werden die Gedanken der Betrachter nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt. Jedes Bildmotiv spricht für sich allein und weckt vermutlich bei jedem Besucher andere Assoziationen.
Durch die Anordnung der Exponate in der Leica Gallery entsteht zusätzlich zum Schwarz-Weiß-Kontrast auf den Bildern noch ein zweiter Gegensatz. Die fotografisch dokumentierten Reiseeindrücke aus Ulan Bator hängen direkt neben jenen aus Peking. Hier unendliche Weite und Natur, deren erdrückende Kargheit die Landschaft oft unerbittlich erscheinen lässt. Dort eine vom Zahn der Zeit zernagte Häuserfassade in der chinesischen Metropole, wo die Menschen auf engstem Raum zurechtkommen müssen.
Unabhängig von den Fotomotiven verfügt Sobol über zwei Fähigkeiten, die seine Bilder erst zu dem machen, was sie sind. Durch sein Auge für die kleinen Details, und das Gefühl für den richtigen Moment werden sie zu einer Melange aus künstlerischem Arrangement und realistischer Momentaufnahme des Alltagslebens in einer für die meisten von uns völlig fremden Welt. Sobol erlaubt den Betrachtern so, die Reise mit seinen Augen zu sehen und aus seiner Perspektive ein Stück weit mitzuerleben. Nicht nur Freunden der Fotografie sei der Besuch der kleinen Ausstellung dringend empfohlen.
Leica Gallery Prag (Školská 28, Prag 1), geöffnet: Mo.-Fr. 9–21 Uhr, Sa./So. 14–20 Uhr, Eintritt: 70 CZK (ermäßigt 40 CZK), bis 8. September
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