Die unbekannte Seite des Laurenzibergs
Der beliebte Ausflugshügel über der Kleinseite ist mit zahlreichen Schicksalen und Legenden verbunden
7. 8. 2013 - Text: Yvette PolášekText: yp/mh; Foto: Edgar Jiménez
„Der schönste Überblick ist vom sogenannten Lorenzberge. (…) Ich muß gestehen, daß ich mir etwas Reizenderes kaum denken kann als Prag von diesem Standpunkte.“ (Franz Grillparzer, Aus einem Tagebuch auf der Reise nach Deutschland)
Der Blick auf die Prager Burg mit dem Laurenziberg (Petřín) zählt zu den bekanntesten Silhouetten der Hauptstadt. Touristen strömen scharenweise hinauf, um den einmaligen Blick auf die Prager Altstadt und das Moldautal zu genießen. Einheimische verbinden diesen Ort vor allem mit einer Pilgerstätte für Verliebte, die es hierher zieht, um unter blühenden Kirschbäumen Händchen zu halten oder ihre Liebe unter der Statue des Dichters Karel Hynek Mácha mit einem Kuss zu besiegeln. Doch mag der Berg mit dem eisernen Aussichtsturm noch so vertraut sein, den wenigsten Betrachtern ist bewusst, dass er mit einer Reihe von Legenden, Persönlichkeiten und Schicksalen verbunden ist.
Seinen deutschen Namen erhielt der Berg nach der Kapelle des Heiligen Laurentius (Kostel sv. Vavřince), die Fürst Boleslav II. angeblich im 10. Jahrhundert erbauen ließ und mit der eine der bekanntesten Legenden verbunden ist. Dort, wo heute die von Barockbaumeister Kilian Ignaz Dientzenhofer umgestaltete Kapelle steht, soll einst ein Opfertisch gestanden haben, auf dem heidnische Priester zur Huldigung ihrer Götter schöne Jungfrauen verbrannt haben. Angeblich erscheinen hier friedlichen Spaziergängern bis heute die heidnischen Götter in Form eines magischen Feuers. Doch besteht laut Einheimischen kein Grund zur Sorge, denn den Flammen wird eine geheimnisvolle Kraft nachgesagt, die sogar Rheuma-Erkrankungen zu heilen vermag.
Überlieferungen zufolge soll sich auf dem Laurenziberg vor vielen Jahrhunderten auch eine Richtstätte befunden haben, auf der vor allem Landesverräter hingerichtet wurden. Dazu zählten auch Mitglieder des böhmischen Adelsgeschlechts der Slavnikiden, die der regierenden Přemysliden-Dynastie feindlich gesinnt waren. Erst Karl IV. verlegte die Hinrichtungsstätte vom Laurenziberg auf den Veitsberg (Vítkov), als er in den Jahren 1360 bis 1362 die zu einem großen Teil bis heute erhaltene Hungermauer – eine steinerne Befestigungsanlage, die auch Zahn- oder Brotmauer genannt wird – errichten ließ.
Masaryks Enkel
Ein Denkmal für die Slavnikiden wird man auf dem Laurenziberg vergeblich suchen, aber stattdessen eine Reihe anderer bedeutender Gedenkstätten finden. So steht zum Beispiel direkt vor der Sternwarte – nahe der Bergstation der Prager Standseilbahn – die Statue des Generals Milan Rastislav Štefánik, der neben Tomáš Garrigue Masaryk und Edvard Beneš zu den Gründervätern der Tschechoslowakischen Republik zählt. Auch ihn ereilte ein tragischer Tod. Der erste tschechoslowakische Kriegsminister kam mit 39 Jahren unter nicht geklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
Ebenso jung verschied die Schauspielerin Hana Kvapilová im Jahre 1907 aufgrund ihrer Zuckerkrankheit, da Insulin Patienten erst einige Jahre später zur Verfügung stand. An sie erinnert im Kinský-Garten eine weiße, lebensgroße Statue des Bildhauers Jan Štursa.
Etwas niedriger gelegen, in der Nähe der mittleren Bahnstation „Nebozízek“, befindet sich die in den Jahren 1910 bis 1912 von Josef Václav Myslbek geschaffene Statue des wichtigsten tschechischen Dichters der Romantik Karel Hynek Mácha. Auch ihn ereilte ein ähnlich tragisches Schicksal wie Štefánik und Kvapilová. Ob er im Alter von erst 25 Jahren an den Folgen einer Unterkühlung, die er sich bei Löscharbeiten eines Brandes holte, oder infolge einer Cholera-Erkrankung starb, ist nicht mehr herauszufinden.
Noch weiter unten steht das Denkmal des Komponisten Vítězslav Novák, in dessen Sockel sich die Urne mit seiner Asche befindet. Novák nahm sich Máchas berühmtem Kurzepos „Mai“ an und komponierte eine gleichnamige Sinfonie.
Nahe der Talstation der 1891 errichteten Standseilbahn (anlässlich der in diesem Jahr stattgefundenen Jubiläumsausstellung wurde als Nachbildung des Pariser Eiffelturms auch der Aussichtsturm eröffnet) stoßen Spaziergänger auf eine Bronzestatue zweier spielender Knaben. Im Volksmund ist der Springbrunnen unter dem Namen „Bei den Fröschen“ („U žabiček“) bekannt, doch nur wenige wissen, dass die beiden Enkel des Staatsgründers Masaryk – Herbert und Leonard Revilliod – dem Bildhauer als Modell gedient haben. Eingeweiht wurde die Statue im Jahr 1949, vier Jahre nachdem die jungen Männer im Zweiten Weltkrieg gefallen waren.
Auf unbestimmte Zeit verschoben
Neue Formen des Unterrichts