Mehr Platz für Menschen
Der Oberbürgermeister will Fußgängern und Fahrradfahrern das Leben im Zentrum erleichtern – mit minimalistischen Mitteln statt Großprojekten
7. 8. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: APZ
Die Stadtregierung hat eine Liste von 21 Maßnahmen zusammengestellt, die das Leben in Prag angenehmer machen sollen. Laut Oberbürgermeister Tomáš Hudeček (TOP 09) handelt es sich um geringfügige Änderungen mit großer Wirkung. Das Ziel sei klar: Die Straßen und Plätze der Hauptstadt sollen mehr Platz für Fußgänger, Anwohner und Fahrradfahrer bieten. „Das neu gegründete Büro für den öffentlichen Raum sammelt und verarbeitet die Anregungen der Bürger“, erklärt OB Hudeček gegenüber der „Prager Zeitung“. Es handle sich daher auch nicht um eine abgeschlossene Strategie – vielmehr wolle man den Maßnahmenkatalog schrittweise erweitern.
Rund zehn Projekte seien bereits in der Vorbereitung, im Herbst könnten die ersten Bauarbeiten etwa am Karlsplatz und am Verkehrsknotenpunkt I.P. Pavlova abgeschlossen werden. Laut Schätzungen des Nachrichtenportals „idnes.cz“ ist mit Investitionen von bis zu einer Million Kronen (knapp 39.000 Euro) zu rechnen. Laut Kritikern handelt es sich um gefällige Maßnahmen, die von größeren Problemen wie etwa dem Milliardenloch Blanka, also dem im Bau befindlichen längsten Stadttunnel Europas, ablenken sollen. Laut Hudeček steht das Büro für den öffentlichen Raum für eine neue Herangehensweise an städtisches Planen. Man wolle einfache und konzeptionelle Veränderungen statt „megalomane Bauprojekte“. Das bringe allen etwas und würde sowohl „die Bewohner Prags, die Lokalitäten und auch den städtischen Haushalt“ schonen.
Was der Oberbürgermeister darunter versteht, zeigen vier Beispiele aus der Maßnahmenliste für ein besseres Prag:
I.P. Pavlova: Einer der hektischsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Zehntausende Autos rasen hier über die wichtigste Nord-Süd-Verbindung, die sogenannte Magistrale, mitten durch die Innenstadt. Zugleich spuckt die U-Bahn-Station der Linie C hier täglich mehr als 100.000 Reisende aus, sie steigen um, aus, ein. „Wir wollen hier den Autoverkehr deutlich drosseln“, sagt OB Hudeček, Fußgänger sollen eindeutig Vorrang haben. Zunächst sollen bis 2014 die rot-weißen Geländer verschwinden, die das Umsteigen von Metro auf Straßenbahnen behindern.
Später soll der Autoverkehr auf der Jugoslávská-Straße, die die Plätze I.P. Pavlova und Náměstí Míru miteinander verbindet, verringert werden. Im kommenden Jahr soll dann ein Aufzug Rollstuhl-Fahrern den Zugang zur U-Bahn erleichtern. Durch einen neuen Fußgängerüberweg soll ihnen zugleich beim Umstieg auf die Straßenbahn ein Umfahren des gesamten Platzes erspart bleiben.
Hybernská-Straße: Sie führt entlang des Seitenflügels des Masaryk-Bahnhofs, täglich laufen hier tausende Menschen entlang – auf dem Weg zum nahegelegenen Hauptbahnhof oder in Richtung Pulverturm. Im Moment müssen sie sich durch parkende Autos und Autokolonnen auf der dreispurigen Einbahnstraße quetschen. Leerstand, Bahnhofskneipen und Spielcasinos dominieren das Straßenbild. Passanten atmen beißende Abgase und aufgewirbelten Staub. Ein Baum oder ein Stück Grünfläche ist weit und breit nicht in Sicht. Das soll sich ändern.
Die Stadtregierung möchte die Passanten hier in Zukunft zum Verweilen einladen: mit Parkbänken und schattigen Bäumen etwa. Ob das noch 2014 bewerkstelligt wird, ist laut Hudeček unklar. Man wolle auch einen Fahrradweg in beiden Richtungen einrichten. Verändern soll sich auch der Platz vor dem Pulverturm. Zwei Fußgängerzonen werden hier durch eine viel befahrene Kreuzung durchschnitten.
Kleinseitner Ring (Malostranské náměstí): Im Moment wäre Kleinseitner Parkplatz die treffendere Bezeichnung. Der weitläufige Platz hinter dem barocken Prachtbau der Nikolaus-Kirche dient fast gänzlich als Abstellplatz für PKW-Pendler. Über eine Abschaffung des Parkplatzes wird schon seit Jahren diskutiert. Nur weiß keiner, wohin mit den Autos. In den benachbarten Straßen dürfen nur Anwohner parken.
Trotzdem: Die Stadtregierung will jetzt ernst machen und den malerischen Platz den Fußgängern und Besuchern der vielen Cafés und Restaurants öffnen. Wann und ob überhaupt, das hängt auch vom Willen des Rathauses des ersten Stadtbezirks ab. „Die Realisierung des ersten Schritts, also dem Schließen des Parkplatzes, hängt von der Dauer und Form der Verträge mit den Betreibern ab“, gibt Hudeček zu. In der Diskussion sei auch der Bau einer Tiefgarage und das Drosseln des Transitverkehrs. Man wolle die Menschen hier vermehrt zum Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel motivieren. Wann die Bauarbeiten beginnen, steht noch in den Sternen.
Karlsplatz (Karlovo náměstí): Bis 2018 soll der grüne Platz komplett saniert werden. Das geht bereits auf eine Entscheidung unter Hudečeks Vorgänger Bohuslav Svoboda (ODS) zurück und ist bitter nötig. Der einst größte Marktplatz Europas fristet ein tristes Dasein: Er wird von zwei mehrspurigen Ausfallstraßen durchschnitten, Drogenabhängige starren hier auf leere Springbrunnen. Wer von der U-Bahn in den Park möchte, muss sich auskennen oder einen wirren Hindernislauf um unnütze rot-weiße Geländer absolvieren.
Erleichtertes Umsteigen zwischen den vielen Haltestellen am Karlsplatz, der Durchgang von einem Teil des Parks in den nächsten und das Aufpolieren der Grünanlage: Das sind die ersten Punkte auf der Liste der Stadtregierung. Später soll dann mit Hilfe von europäischen Geldern ein durchgängiger Boulevard aus dem Platz werden, auch die Situation für Fahrradfahrer soll sich bessern.
Auf unbestimmte Zeit verschoben
Neue Formen des Unterrichts