Ota Filip erhält Verdienstorden
Mit einer der höchsten Staatsauszeichnungen kehren Diskussionen über die Vergangenheit des deutsch-tschechischen Schriftstellers zurück
1. 11. 2012 - Text: Martin NejezchlebaText: PZ/mn; Foto: privat
Am Staatsfeiertag zur Entstehung der Tschechoslowakei werden auf der Prager Burg traditionell die höchsten Staatsauszeichnungen an verdiente Bürger verliehen. Václav Klaus übergab an diesem Sonntag insgesamt 22 Orden, zum letzten Mal in seiner Funktion als Präsident. Die höchste Auszeichnung, den Orden des Weißen Löwen, überreichte das Anfang kommenden Jahres scheidende Staatsoberhaupt an zwei Veteranen des Zweiten Weltkriegs: Alexandr Beer und Vasil Korol. Beide wurden für ihren Einsatz im Kampf gegen die nationalsozialistische Okkupation der Tschechoslowakei geehrt.
Für seine „Verdienste am Staat im Bereich der Kunst“ überreichte Klaus die Verdienstmedaille an den deutsch-tschechischen Schriftsteller Ota Filip. Berühmt machten den Exilautor frühe Werke wie „Das Café an der Straße zum Friedhof“, die „Himmelfahrt des Lojzek Lapáček aus Schlesisch Ostrau“ und „Café Slavia“. Im Gespräch mit der „Prager Zeitung“ äußerte Filip seine Freude und seinen Stolz ob der Auszeichnung. Allerdings frage er sich, „ob es denn Sinn macht, Literatur mit staatlichen Verdienstkreuzen auszuzeichnen.“
Der 82-Jährige blickt auf ein turbulentes Leben zurück. Schriftstellerisch machte er sich für die Reformbewegung des sogenannten „Prager Frühlings“ stark. Es folgten 15 Monate Haft wegen „Untergrabung der sozialistischen Gesellschaft“. Eine Zeit, an die sich Filip mit Schrecken zurückerinnert. Nach internationalen Protesten wurde er vorzeitig entlassen. Der Publizist war nun zu einfachen Arbeitertätigkeiten gezwungen, veröffentlichte jedoch weiter im Westen. Um einer erneuten Inhaftierung zu entgehen, emigrierte er 1974 mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in die Bundesrepublik Deutschland. Schnell fasste er dort als gefragter Kommentator und deutsch-tschechischer Schriftsteller Fuß.
Ein dunkler Moment seiner Vergangenheit holte ihn 1998 ein. Das Bayerische Fernsehen strahlte die Dokumentation „Der lachende Barbar“ aus, in der Filip bezichtigt wird, 1952 zur Fahnenflucht angestiftet und den Plan anschließend bei der Staatssicherheit verraten zu haben. Für alle Beteiligten, ausgenommen Filip, bedeutete dies bis zu acht Jahre Arbeitslager. 18 Jahre später soll sich der Schriftsteller zu einer Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst verpflichtet haben. Nachdem die Anschuldigungen publik wurden, nahm sich Filips Sohn Pavel das Leben.
Mit der Auszeichnung durch Václav Klaus am vergangenen Sonntag tauchte diese Diskussion um Filips Vergangenheit erneut in den Medien auf: Darf jemand mit einem derartigen Lebenslauf mit einer der höchsten Staatsauszeichnungen geehrt werden?
„Die angebliche Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit ist ein großer Unsinn. Wenn das immer wieder auftaucht, kann ich das nur bedauern“, sagt Ota Filip im oberbayerischen Murnau am Staffelsee. Mit dem „großen Unglück“ von 1952 habe er sich mehrfach in seinen Romanen auseinandergesetzt, aus den positiven Reaktionen nach der Zeremonie schöpfe er Mut. „Ich wurde für meine Literatur ausgezeichnet“, stellt Filip klar.
Der in Ostrava geborene Schriftsteller war unter anderem bereits 1986 mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis für deutschsprachige Migrantenliteratur ausgezeichnet worden; mit den Vorwürfen über seine Vergangenheit rechnete er in seinem Roman „Der siebente Lebenslauf“ ab.
Im Vladislav-Saal der Prager Burg wurden auch Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Sport geehrt. Zu ihnen zählt Speerwerferin Barbora Špotáková und der einstige Torhüter der tschechoslowakischen Fußballnationalmannschaft Ivo Viktor. Der feierlichen Zeremonie ging eine Rede von Václav Klaus voraus, in der er die Steuerpolitik der Regierung kritisierte und vor einer wachsenden Untergrabung traditioneller Werte in der Gesellschaft warnte.
„de mortuis nihil nisi bene“.
über tote nichts, wenn nichts gutes.
also nichts.