Rechtlose Zeitarbeiter

Rechtlose Zeitarbeiter

Die Arbeitsinspektion präzisiert die Kritik an den Arbeitsbedingungen im Foxconn-Werk in Pardubice

9. 10. 2013 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Nadkachna

Zwölf-Stunden-Schichten, kaum Pausen und eine Bezahlung, die nur schwer zum Leben reicht. Der taiwanesische Elektronikhersteller Foxconn ist erneut in Kritik geraten. Nachdem dem Konzern seit Jahren vorgeworfen wird, seine Angestellten in Asien unter menschenunwürdigen Bedingungen zu beschäftigen, werden nun auch seine Produktionsmethoden in Tschechien beanstandet.

Journalisten der deutschen Computerfachszeitschrift „c’t“ werfen Foxconn vor, die Mitarbeiter in seinem Werk in Pardubice auszubeuten. Wie sie in ihrem Beitrag „Shenzhen an der Elbe“ berichten, produzieren hier vor allem Zeitarbeiter aus Osteuropa und Asien unter enormem Leistungsdruck am Fließband, auch nachts, ständige Bereitschaft für Schichtänderungen vorausgesetzt – das alles für 540 Euro im Monat, im Schnitt 3,50 Euro pro Stunde.

Im September hatten die Journalisten für vier Tage Pardubice besucht, um die Verhältnisse genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie sprachen mit dem Betriebsrat, mit Vertretern der Arbeitsinspektion und des Arbeitsamtes, mit der Hilfsorganisation „Most“ und mit den Angestellten. Am Ende ihrer Recherchen folgt die Ernüchterung: Den Preis für die günstige Technik und den Erfolg von Foxconn zahlen die schwächsten Glieder in der Herstellungskette: die Wanderarbeiter. Ohne politische Lobby und ohne Gewerkschaft müssen sie permanent fürchten, ihren Job an Arbeiter aus noch ärmeren Ländern zu verlieren.

Im Einklang mit dem Arbeitsrecht?
Seit 2000 produziert Foxconn in Pardubice, wo etwa 3.700 Mitarbeiter beschäftigt sind. Nach Angaben des Unternehmens kommen etwa 18 Prozent der Angestellten aus dem Ausland, aus Ländern wie Bulgarien, Rumänien, der Mongolei und Vietnam. Über eine Vermittlungsagentur gelangen sie in die Montagelinie bei Foxconn. In Kutná Hora unterhält Foxconn seit fünf Jahren ein weiteres Werk mit rund 1.400 Beschäftigten. Mit einem Umsatz von 104,6 Milliarden Kronen (etwa 4,1 Milliarden Euro) im vergangenen Jahr ist der Konzern drittgrößter Exporteur der Tschechischen Republik. Das Unternehmen produziert unter anderem für Apple, Dell und Hewlett-Packard.

Foxconn selbst weist die Vorwürfe zurück. Man arbeite im Einklang mit den arbeitsrechtlichen Bestimmungen sowohl in Tschechien als auch in der EU, heißt es in einer Presseerklärung. Seinen Mitarbeitern garantiere das Unternehmen alle zwei Stunden eine Pause von fünf bis zehn Minuten.

Verdacht unbestätigt
Gegenüber „c’t“ hatten Angestellte berichtet, dass sie sich am Montageband keine Minute zum Verschnaufen gönnen könnten. Sich kurz hinzusetzen oder an eine Wand anzulehnen, etwas zu trinken oder mit dem Kollegen zu sprechen, sei nicht möglich. Da der Arbeitstakt eine bestimmte Stückzahl vorsieht, müssen die Angestellten quasi im Akkord rotieren. „c’t“ kritisiert außerdem das Bonussystem. Bis zu 3.000 Kronen im Monat können am Band zusätzlich verdient werden, wenn Disziplin und Normstückzahl eingehalten werden. Der Haken: Fällt ein Arbeiter in der Linie aus der Reihe, büßen auch die anderen den Bonus ein.

Foxconn hingegen schmückt sich mit der Auszeichnung einer Consulting-Firma. Zum „Arbeitgeber des Jahres 2012“ sei das Unternehmen in der Region Pardubice ernannt worden. „Mit durchschnittlich 21.000 Kronen (rund 820 Euro) liegt das Gehalt der Mitarbeiter deutlich über dem Durchschnittslohn in der Region“, ist in der Pressemitteilung zu lesen. Dabei unterschlägt Foxconn allerdings die Gehaltsdiskrepanz zwischen den tschechischen Festangestellten und den ausländischen Zeitarbeitern.

Rudolf Hahn, Leiter der staatlichen regionalen Arbeitsinspektion SUIP sieht Foxconn kritisch. Seit 2011 hat die Behörde die Werke in Kutná Hora und Pardubice sowie deren Partnerfirmen insgesamt 25 Mal inspiziert. „Für einen einzigen Arbeitgeber eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Kontrollen“, sagt Hahn. Zuvor waren bei SUIP zahlreiche Beschwerden eingegangen. Nicht nur Foxconn-Angestellte, auch Mitarbeiter der Partnerfirmen beanstandeten die Arbeitsbedingungen im Unternehmen, allerdings oft ohne konkrete Erläuterung.

So auch die letzte Beschwerde, die SUIP im März erreichte. „Auf die allgemeine Aussage, der Arbeitgeber würde das Gesetz verletzen ohne näher auszuführen, auf welche Weise das geschieht, kann man schwer reagieren“, erklärt Hahn. Zwar seien die Beschwerden ein deutliches Zeichen für die eher negative Arbeitsatmosphäre in dem Werk. Den Vorwurf, Foxconn würde unter sklavenähnlichen Bedingungen produzieren, müsse SUIP aber zurückweisen. Gerade der Verdacht, den Arbeitern würde nach sechsstündiger Arbeit nicht die gesetzlich vorgeschriebene Pause von 30 Minuten gewährt, hätte sich nicht bestätigt.

Das Problem sieht Hahn nicht so sehr in der Firmenphilosophie Foxconns, sondern vielmehr im Phänomen der Zeitarbeit. „Sie führt zu wesentlich mehr Unzufriedenheit seitens der Beschäftigten.“ Vor allem die Frage nach einer gleichberechtigten Bezahlung im Vergleich zu den Festangestellten, die hohe Arbeiterfluktuation und der damit verbundene Leistungsdruck setze den Betroffenen stark zu.