Kurioses aus der Einsatzzentrale
Auch Tschechen nutzen die deutsche Notrufnummer „110“ in verschiedensten Notlagen
9. 10. 2013 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: Polizeipräsidium Oberpfalz
Wer die bekannte Nummer „110“ wählt, der wird in Regensburg mit „Polizei Oberpfalz – Grüß Gott!“ empfangen. Zuweilen meldet sich am anderen Ende der Leitung dann ein Anrufer aufgeregt mit „Dobrý den“. Denn auch Tschechen kennen und nutzen die deutsche Notrufnummer, wie sich jüngst mehrfach bestätigt hat.
Im Regensburger Polizeipräsidium gehen Notrufe aus der gesamten Oberpfalz ein – manchmal bis zu 700 an einem Tag. Doch nicht immer handelt es sich um einen Notfall, wenn es in der Einsatzzentrale klingelt. Vielmehr nutzten Anrufer den kostenlosen Notruf auch dazu, um nach der Uhrzeit zu fragen und Taxis zu bestellen. Außerdem trafen Anfragen nach bestimmten Telefonnummern oder Bitten um die Vermittlung zu anderen Gesprächspartnern ein, wie Polizeibeamte berichten. Manch Anrufer erhoffte sich Hilfe von der Polizei, nachdem er wegen exzessivem Alkoholkonsum aus der Diskothek geworfen wurde. Oder weil er nicht wusste, wie sein Mikrowellenherd fachmännisch zu bedienen war.
Wie ein Missbrauch des Notrufes klang zunächst auch ein Anruf, der Mitte August bei der Zentrale in Regensburg eintraf. Er sei in einem städtischen Einkaufszentrum gefangen, klagte ein Tscheche morgens um neun Uhr und bat darum, aus seiner „Notlage“ befreit zu werden. Vor Ort stellten Beamte jedoch fest, dass der tschechische Besucher einen Notausgang genommen hatte, der tatsächlich defekt war. Deshalb kam er aus dem Treppenhaus weder hinaus noch in das Gebäude wieder hinein.
In der Regensburger Notrufzentrale stehen sechs Einsatztische, von denen drei rund um die Uhr besetzt sind. Wählt ein Anrufer die Nummer „110“, dokumentiert ein Polizist das Gespräch und zeichnet auch Details exakt auf. Wird ein Einsatz im Leitsystem vermerkt, dann koordiniert ein Funkdisponent nebenan die nötigen Fahrzeuge und schickt sie los. Er verständigt Abschlepp- und Rettungsdienste, Behörden, Rundfunkstationen oder Angehörige.
Polizist als Seelsorger
All das brauchte ein tschechischer Lkw-Fahrer nicht, als er sich im August über „110“ von der A 3 bei der deutschen Polizei meldete. Der Fahrer wollte morgens, kurz nach fünf Uhr, von einem Rastplatz bei Wörth wieder zurück auf die Autobahn, merkte jedoch, dass Unbekannte während der Nacht seinen Tank um erhebliche Liter Diesel erleichtert hatten. Daher genügte ihm schon eine Polizeistreife, um eine Anzeige aufzugeben und seinem Ärger Luft zu machen.
Obwohl fernab vom Geschehen, werden Beamte in ihrer Funkzentrale mitunter auch unerwartet Tatzeugen. So erging es einem Polizisten, der anhören musste, wie sich sein Gegenüber mit einer Pistole erschoss.
In einem anderen außergewöhnlichen Fall gelang es einer Beamtin, einen 17-Jährigen vom Sprung von einer Brücke zu bewahren. Als er drohte, sich in die Tiefe zu stürzen, hielt ihn die Polizistin mehr als 20 Minuten am Telefon, hörte sich seine Lebensgeschichte an und konnte ihn schließlich überreden, von der Brücke zu steigen.
Immer wieder erreichen die Einsatzzentrale Anrufe einsamer Menschen, die lediglich einen Gesprächspartner suchen. Beamte hören ihnen dann zu, sofern Zeit dafür bleibt. Zuweilen benachrichtigen sie auch Seelsorger oder Kriseninterventionsteams.
Kein Spaß bei Missbrauch
Nicht um Seelenschmerz, sondern um realen Herzschmerz handelte es sich bei einem Anrufer, der Ende Mai sehr besorgt klang. „Ich habe Herzprobleme“, ließ ein Tscheche am Telefon wissen. Er war ebenfalls Lkw-Fahrer und hatte seine Fahrt auf der A 6 abends kurz vor 22 Uhr unterbrochen, weil er sich plötzlich unwohl fühlte. Ihn verbanden die Polizisten direkt mit der Rettungsleitstelle, die alle weiteren Hilfsmaßnahmen veranlasste.
Woher tschechische Anrufer die deutsche Notrufnummer kennen, ist der Polizei nicht bekannt. „Möglicherweise über Automobilklubs, die wie in Deutschland vor Antritt einer Reise auch diese wichtige Information weitergeben“, spekuliert Albert Brück, Pressesprecher des Regensburger Präsidiums.
Er betont, dass prinzipiell jeder den Notruf nutzen kann, der sich in einer Notsituation fühlt oder befindet. Zudem sei jeder Anruf zu anderen Notfällen willkommen.
Keinen Spaß verstehen Polizisten jedoch bei missbräuchlicher Nutzung. Immerhin ein Straftatbestand, der mit Geld- oder Haftstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann.
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