Blick in die Presse
Tschechische Pressekommentare zum MUS-Prozess, zur Vergabe des Friedensnobelpreises und den Begriff „Czechia“ als offizieller englischer Staatsname
16. 10. 2013 - Text: PZText: PZ
Die Verurteilung von fünf tschechischen Kohlebaronen des nordböhmischen Bergbaukonzerns MUS durch ein Schweizer Gericht hat übers Wochenende kurzzeitig das Wahlkampfgeschehen aus den Schlagzeilen verdrängt. Die Tageszeitung „Lidové noviny“ freut sich unter dem vielsagenden Titel „importierte Gerechtigkeit“, dass „wir endlich die Verurteilung der Milliardenbetrüger erlebt haben, worauf die durch Gefühle von Ungerechtigkeit frustrierte Öffentlichkeit gewartet hat. Aber die Sache hat zwei Haken. Die Verurteilung für die betrügerische Beherrschung des tschechischen Unternehmens (…) mussten uns die Schweizer liefern, auf deren Boden die Betrüger das Geld nur gewaschen haben. Zudem kommt die Gerechtigkeit mit allzu großer Verspätung; die Manager-Bande brachte die Gruben schon 1998 unter ihre Kontrolle. Die Schweizer Anklage und das Urteil sind eine ordentliche Lektion, wie sich bei schwerwiegenden und ausgeklügelten Wirtschaftsverbrechen die Schuld nachweisen lässt. Keine Formalismen und Wortklaubereien. Präzise Analyse der Geldbewegungen zwischen den Konten an seltsamen Bestimmungsorten. Und ein präziser Nachweis der Absichten der Täter, mögen diese noch so sehr versuchen, jene durch angebliche Bemühungen zu verschleiern, die fremden Gelder doch bloß in Wert zu setzen. Dazu brauchten die Schweizer keine Abhörprotokolle, ohne die sich vielleicht unsere Polizisten und Staatsanwälte heute schon keine Ermittlungen mehr vorstellen können.“
Die „Mladá fronta Dnes“ kommentiert die Verleihung des Friedensnobelpreises: „Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen? Prima, aber sollte die prestigeträchtigste Auszeichnung dieser Welt, der Friedensnobelpreis, nicht einer konkreten Person gehören, mit der man sich besser identifizieren kann? Die Politik des Nobel-Komitees widerspricht irgendwie dem Verstand. Dieses Jahr diese Organisation, die gegen Chemiewaffen kämpft, letztes Jahr die EU, vor ein paar Jahren der gerade erst gewählte Barack Obama. Das Ganze erweckt den Eindruck, als wolle man sich in Norwegen ums Ansehen bringen. Jeder weiß doch: Wenn man Widerhall erzeugen will, dann muss man eine Geschichte anbieten. Es mangelt doch nicht an Menschen mit einer inspirierenden, heldenhaften, durch eigenes Leiden oder durch Opferbereitschaft erworbenen „Story“. Aber es geht nicht in erster Linie um einen Marketingaspekt, sondern um die Sache selbst. Haben nicht gerade solche Menschen den Preis am meisten verdient?“
Die Wochenzeitschrift „Respekt“ glossiert Präsident Zemans Vorschlag, statt des offiziellen „Czech Republic“ in Zukunft sein Land „Czechia“ zu nennen: Man könne zustimmen, „dass ‚Czech Republic‘ unschön ist und manch einer fragt sich, warum müssen wir dort ‚Republik‘ haben, vielleicht nach Art der Dominikanischen Republik, die einst damit verschleiern wollte, dass es sich um eine Diktatur handelte. (…) Czechia‘ – das klingt prunkvoller, etwa wie Italia, Slovakia oder etwas Ähnliches (vivat Czechia!) (…). Ich bin zwar nicht der Präsident, aber ich würde ‚Czechland‘ vorschlagen nach dem Muster so nobler und demokratischer Länder wie Holland oder Finnland (und Legoland), aber es müsste wohl richtig heißen ‚Czechlands‘, weil wir „tschechische Länder“ haben, beziehungsweise die Länder der böhmischen Krone. Gut wäre auch ‚Czechway‘ nach dem Vorbild eines anderen hochzivilisierten und -kultivierten Landes, nämlich Norwegen – Norway. ‚Czechway‘ würde die berüchtigten tschechischen Plumpheiten oder Dritten Wege widerspiegeln und das Lied von Sinatra in Erinnerung rufen: ‚I do it czeeeeech way‘. Zum Schluss nun ernsthaft: Alle Staaten haben eine offizielle Bezeichnung in ihrer eigenen und in der englischen Sprache (…), und dazu gibt es noch eine gewohnheitsmäßige Bezeichnung. Die ist freilich eine Sache der gemeinsamen Kultur, die sich nicht durch ein Dekret erzwingen lässt.“
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