Amazon-Lieferung über Polen
Der Online-Händler baut drei neue Vertriebszentren für deutsche Kunden im Nachbarland. In Deutschland macht es ihm die Gewerkschaft schwer
16. 10. 2013 - Text: Nancy WaldmannText: Nancy Waldmann; Foto: Medien-gbr
Ideal lief die Unternehmenskommunikation beim Internethändler Amazon zuletzt nicht. Das könnte man zumindest denken, wenn man das Presseecho der letzten Wochen verfolgt hat. „Amazon beschäftigt 6.000 Polen“, meldete Anfang des Monats das polnische Nachrichtenportal „Puls Biznesu“. In der vergangenen Woche wurde es dann offiziell: Drei große Logistikzentren wolle man aufbauen, teilte das Versandhaus mit Sitz in Seattle mit.
Die Nachricht folgte genau einen Tag, nachdem man in deutschsprachigen Medien wie „faz.net“ lesen konnte, dass in Deutschland die Gewerkschaft ver.di Amazon mit Streik im Weihnachtsgeschäft droht, sollte das Unternehmen seinen Mitarbeitern in den Logistikzentren nicht Löhne gemäß den Tarifen im Einzelhandel zahlen. Ohne Mühe zogen „Puls Biznesu“ und andere Journalisten den Schluss, Amazon werde den Vertrieb künftig an billigere polnische Standorte auslagern. Eine unsympathische Nachricht. Das Unternehmen schob ein Dementi nach: Die Investition in Polen habe nichts mit dem Arbeitskampf in Deutschland zu tun und man plane nicht, dort irgend ein Logistikzentrum zu schließen.
Das kann man Amazon glauben. Aber man kann auch glauben, dass der weltweit größte Online-Händler mit rund 90.000 Mitarbeitern mit der zeitnahen Mitteilung über seine Polenpläne den Gewerkschaftlern in Deutschland, die bereits im September die Arbeit niedergelegt hatten, einfach mal zeigen wollte, wohin der Hase läuft. Nämlich in den nahen und günstigen Osten – dahin, wo Gewerkschaften verhältnismäßig wenig Einfluss haben.
Kein amazon.pl geplant
Tatsächlich sollen von Westpolen aus Bestellungen über den deutschen E-Shop bedient werden, teilte Tim Collins, Geschäftsführer bei Amazon, vergangene Woche auf einer Pressekonferenz mit. Perspektivisch werden auch andere EU-Länder beliefert. Ein Verkaufsportal amazon.pl für polnische Kunden gibt es bislang nicht und sei auch nicht geplant. Schon treiben Amazon Mittelosteuropa-Pläne um. Im April kursierten Informationen, das Versandhaus habe sich für Tschechien entschieden und plane ein großes Logistikzentrum für amazon.de-Kunden in der Nähe von Prag. So berichtete das Wirtschaftsmagazin „E15“. Das Unternehmen hat diese Informationen weder bestätigt noch dementiert.
Die Vertriebszentren in Polen, zwei in der Nähe von Wrocław, eines bei Poznań, sollen bis 2015 entstehen und insgesamt 6.000 feste Mitarbeiter und weitere 9.000 Saisonarbeiter beschäftigen. „Zweifellos ein Meilenstein“, sagte der polnische Wirtschaftsminister Janusz Piechociński. Was für eine Qualität ein Arbeitsplatz in einem Amazon-Vertriebszentrum wirklich hat, darüber denkt man auch in polnischen Medien nach. „Harte Bedingungen“ lege Amazon seinen Mitarbeitern auf, schrieb das Wirtschaftsportal „bloombergbusinessweek.pl“: keine Unterhaltungen, kein Kaugummi, zum Trinken sei nur Wasser erlaubt. Make-up sei verboten, sogar das Tragen von Uhren. Sieben Minuten zum Umziehen ab dem Erreichen des Arbeitsplatzes bis zum Arbeitsbeginn seien gestattet. Scanner überwachten, dass alle Tätigkeiten in der vorgegebenen Zeit erledigt werden, andernfalls gäbe es Strafpunkte.
„Puls Biznesu“ berichtete neben den Vorhaben in Polen auch von zwei geplanten Logistikzentren in Tschechien. Der Konzern bestätigte dies nach wie vor nicht. In Deutschland betreibt Amazon acht Vertriebszentren mit insgesamt rund 9.000 Mitarbeitern. ver.di fordert eine Bezahlung nach den Tarifverträgen des Einzelhandels, der Konzern lehnt das ab, mit der Begründung, die Mitarbeiter seien in der Logistikbranche tätig, nicht im Einzelhandel.
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