Vom Staatsbesitz zur Leihgabe
Nach der Restitution: Kirche fordert Rückgabe christlicher Kunstwerke
23. 10. 2013 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Geburt Christi, Hohenfurther Altar (um 1350)
Während sich Staatsoberhaupt Miloš Zeman gegen die zu Jahresbeginn beschlossene Kirchenrestitution sträubt und beständig deren Rücknahme fordert, haben kirchliche Institutionen nun ihren Anspruch auf ihr kulturelles Eigentum geltend gemacht.
Fünf Anträge auf die Rückgabe alter Kunstwerke sind in den vergangenen Wochen bei der Nationalgalerie in Prag eingegangen.
Insgesamt handelt es sich um 29 Gemälde, die verschiedene kirchliche Subjekte mit Bezug auf das im Februar verabschiedete Restitutionsgesetz für sich reklamieren. Zu den zurückgeforderten Werken gehören bedeutende Beispiele mittelalterlicher und barocker Bildkunst, so zum Beispiel neun Tafeln des Hohenfurther Altars aus dem 14. Jahrhundert, „Das Martyrium des heiligen Thomas“ und „Das Martyrium des heiligen Augustinus“ von Peter Paul Rubens sowie vier Bildtafeln des sogenannten Puchner Altars der Kreuzherren mit dem roten Stern. Allein den Marktwert der Rubens-Bilder schätzen Experten auf zehn Millionen Kronen (etwa 387.000 Euro).
Bis Anfang November soll sich entscheiden, ob die Anträge rechtmäßig sind und die betreffenden Werke offiziell ihren Besitzer wechseln. Hierfür muss allerdings zuerst ein funktionaler Zusammenhang zwischen den Stücken und den kirchlichen Immobilien nachgewiesen werden. „Das ist nicht in jedem Fall einfach“, erläutert der Direktor der Nationalgalerie Vít Vlnas. So könne man beispielsweise nicht mit Gewissheit sagen, dass der Hohenfurther Altar eigens für das Kloster in Vyšší Brod geschaffen wurde.
Die Nationalgalerie hofft, die Werke auch weiterhin als Dauerleihgabe ausstellen zu können. Wie Vlnas erklärt, stünden die Chancen hierfür gut. Die Verhandlungen mit der Kirche verliefen in beiderseitigem Einverständnis, die Werke sollten auch künftig der Öffentlichkeit zugänglich sein. „Ändern würden sich lediglich die Namen der Eigentümer, der Standort der Werke aber bleibt derselbe“, so Vlnas. Gejza Šidlovský, der Vertreter der Prämonstratenser, unter deren Dachverband die Anträge gestellt wurden, bestätigt dies. „Die Kirche hat sich dem Staat gegenüber verpflichtet, dass die Werke nach einer Rückgabe in den Hallen der Nationalgalerie verbleiben. Eventuell werden sie in anderen staatlichen Institutionen ausgestellt“, bekräftigte Šidlovský. Er merkte aber auch an, dass zahlreiche Kircheninstitutionen Kunstwerke aus ihrem ehemaligen Besitz noch nicht zurückgefordert hätten; die Liste der reklamierten Werke könnte innerhalb der nächsten zwei Monate folglich wachsen.
Laut Gesetz dürfen bis Jahresende Rückforderungen gestellt werden, die bewegliche Güter in Verbindung mit kirchlichem Eigentum betreffen. Bisher haben namentlich der Mährische Augustinerorden, die Zisterzienserabtei in Vyšší Brod, die Kreuzherren mit dem roten Stern, die Benediktinerabtei im Prager Emmauskloster und der Mährische Orden der Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott ihre Ersuche eingereicht.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?