Es war der Teufel in Person
In Ondřej Fibichs „Vom Schatz des alten Böhmerwaldes“ treffen einfache Menschen auf mysteriöse Wesen
23. 10. 2013 - Text: Volker StrebelText: Volker Strebel; Foto: nemo&anton
Zauberkräfte und Hexerei, ungehobene Schätze und verwunschene Orte. Es ist eine längst vergegangene Zeit, von der im Band „Vom Schatz des alten Böhmerwaldes“ atmosphärisch dicht erzählt wird. Auch heute noch stößt man auf ihre Spuren, sobald man in der böhmischen Berglandschaft auf abseitigen Pfaden streift. Auf beinahe geheimnisvolle Weise geben verfallene Anwesen, bizarre Felsformationen und knorrige Baumriesen Einblicke in eine verborgene Welt frei.
Aus der dreibändigen Sagensammlung des tschechischen Schriftstellers Ondřej Fibich hat der Übersetzer die vorliegende Auswahl zusammengestellt, die aus den Landstrichen um Eisenstein, Bergreichenstein, Winterberg sowie dem Prachatitzer Land stammt. Jedem dieser vier Teile ist eine nützliche topographische Szizze vorangestellt.
In den kurzen Sagen wird von Kleinhäuslern im Böhmerwald berichtet, von einfachen Handwerkern, Bauern oder Einsiedlern, die ungewöhnlichen Erlebnissen mit Wald- und Wassergeistern, Untoten und anderen geheimnisvollen Mächten ausgesetzt waren. Die Orte der Geschehnisse werden konkret benannt – immerhin lassen sich ja die Hufabdrücke der zornigen Teufel noch heute im Felsgestein finden.
Schaurige Erlebnisse
Zuweilen taucht der Teufel auch ganz unscheinbar in Menschengestalt unter den Bewohnern des Böhmerwaldes auf. So hatte ein Schmied im Künischen Gebirge einst einen stattlichen jungen Mann als Geselle eingestellt, dem bezeichnenderweise die Arbeit am Feuer nur so von der Hand ging. Lakonisch wird angemerkt: Es war der Teufel in Person. Ganz nebenbei erfährt der Leser dieser Sage „Der Teufel im See“, wie der Teufelssee zu seinem Namen kam.
Die Geschehnisse gipfeln zuweilen in einem Unglück, können andererseits aber auch ein gutes Ende nehmen. Immer wieder kehrt auch die Sage von den verborgenen Schätzen, die nur einmal im Jahr, am Palmsonntag, einen möglichen Zugang gewähren. Wenn Geiz oder Niedertracht den Menschen beherrschen, findet er auch im Grab keine ewige Ruhe. Dann sind die Unglücklichen darauf angewiesen, dass sie von einem redlichen Menschen erlöst werden.
Nicht immer geht es in diesen Geschichten martialisch zu. Ein besonderes Grauen wird mitunter durch ganz subtile Reize ausgelöst. Ahnungen beschleichen dann den verängstigten Zeitgenossen. In der Sage „Der Windgeist“ kann man erspüren, dass auch ohne sichtbar handelnde Sagengestalten schaurige Erlebnisse möglich sind. Sei es durch das Wirken unheimlicher Kräfte oder durch ein Zusammenspiel überreizter Sinne mit den Erscheinungen der Natur – es ergibt sich dann ein Knäuel äußerst komplexer Wahrnehmungen, denen man sich nur durch Flucht zu entziehen vermag: „Es war Heiligabend und Max Liebreich aus Kuschwarda eilte dem Dorf Oberlichtbuchet zu. Als er im Finstern an dem großen Stein mit dem Kreuz vorüberkam, pfiff jemand nach ihm. Max hielt an und antwortete ebenfalls mit einem Pfiff. Da erhob sich unter dem Stein ein Wimmern und Wehklagen. Liebreich erschrak so sehr, dass ihm die Haare zu Berge standen und sich sein Hut anhob. Plötzlich fühlte er im Rücken einen scharfen Wind, dass es nur so rauschte. Der Arme nahm allen Mut zusammen, machte kehrt und rannte in wilder Flucht nach Hause“.
Prämierter Übersetzer
Die vorliegenden Sagen sind von dem tschechischen Schriftsteller Ondřej Fibich über Jahre hinweg aufgespürt, gesammelt und neu formuliert worden. Nach seinem Abitur hatte es den 1954 in Prag geborenen Schriftsteller in den Böhmerwald verschlagen. Noch in Prag und auch später gab er im Samizdat eigene Verse und Prosa heraus, die in der sozialistischen Tschechoslowakei nicht veröffentlicht werden konnten. Heute gibt er seine Bücher, Almanache und Sammelbände vor allem zur regionalen Thematik des Böhmerwaldes im eigenen Verlag Burg Strakonitz (Nakladatelství Hrad Strakonice) heraus.
Der Übersetzer Helfried Reischl hat sich bereits bei seinen Übertragungen von Böhmerwaldgeschichten Roman Kozáks oder Karel Klostermanns sowie als Verfasser einer hervorragenden Kulturgeschichte des Böhmerwaldes einen Namen gemacht. 2008 wurde er für seine Übersetzungsleistung vom deutsch-tschechischen Karel-Klostermann-Verein mit der Klostermann-Stele ausgezeichnet.
Ondřej Fibich „Vom Schatz des alten Böhmerwaldes“. Ausgewählt und übersetzt von Helfried Reischl. Passau 2012, Verlag Karl Stutz, 103 Seiten, 14,80 Euro, ISBN: 978-3-88849-155-9
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?