Reserve aus der Tiefe
Verordnung legt Mindestquoten für Vorratshaltung fest – Gazprom sichert sich riesige Kapazitäten
13. 11. 2013 - Text: Friedrich GoedekingText: Gerit Schulze; Foto: Michael Kauffmann
Tschechien will seine Kapazitäten zur Speicherung von Erdgas erhöhen. Damit soll einerseits die Energiesicherheit des Landes verbessert werden. Zum anderen könnten die Gasversorger saisonale Preisunterschiede besser ausgleichen. Zwei einheimische Unternehmen planen in den kommenden Jahren Investitionen von über 330 Millionen Euro in neue Speicher.
Nach zahlreichen Lieferengpässen in den Wintern vergangener Jahre will die Regierung die Gasversorgung des Landes auf eine sicherere Basis stellen. Die Versorger müssen nun laut einer Verordnung für Notfälle und bestimmte Verbrauchergruppen ganz konkrete Erdgasvorräte anlegen. Zwischen dem 30. September und 1. April sollen künftig 20 Prozent des Bedarfs einzelner Abnehmergruppen in Speichern vorbehalten werden.
Tschechien hat nach Angaben der Regulierungsbehörde für den Energiesektor (ERÚ) im zurückliegenden Jahr rund 8,16 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht. Davon entfallen über 43 Prozent auf rund 1.650 Großabnehmer und ein Drittel auf Privathaushalte. Regional verbrauchen Südmähren, Mittelböhmen und die Hauptstadt Prag die größten Erdgasmengen. Die Tagesspitzenlast fiel 2012 auf den 6. Januar, als fast 62 Millionen Kubikmeter konsumiert wurden. An warmen Sommertagen fällt dieser Wert auf 7 Millionen Kubikmeter.
Starke Abhängigkeit
Tendenziell wurde im Laufe der vergangenen Jahre aber immer weniger Erdgas benötigt. Noch im Jahr 2003 lag der Gasverbrauch bei 9,74 Milliarden Kubikmeter und damit um fast ein Fünftel höher als heute (bei gleicher Jahresdurchschnittstemperatur).
Noch stärker als Deutschland ist das Land von Erdgaslieferungen aus Russland abhängig. Von dort kommen rund drei Viertel der Importe, der Rest aus Norwegen. Die Erdgasförderung im Inland ist mit 166 Millionen Kubikmetern (2012) zu vernachlässigen. Sie deckt lediglich den Bedarf von drei Wintertagen.
Um die neue Quote von 20 Prozent des Erdgasbedarfs für bestimmte Abnehmergruppen zu erfüllen, reichen die aktuellen Speicherkapazitäten im Land theoretisch aus. Derzeit können die Reservoirs rund 3,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas aufnehmen. Das entspräche 44 Prozent des Jahresverbrauchs von 2012. Allerdings wird der zweitgrößte Speicher in Dolní Bojanovice (576 Millionen Kubikmeter) bislang für die Gasversorgung der Slowakei genutzt. Er gehört dem slowakischen Strom- und Gaskonzern SPP.
Marktführer ist RWE Gas Storage. Die tschechische Tochtergesellschaft des Essener Energiekonzerns betreibt sechs von acht Gasspeichern. Auf sie entfallen drei Viertel der Speicherkapazität im Land. In einem kürzlich erschienenen Interview mit der Zeitung „Hospodářské noviny“ hat der Geschäftsführer von RWE Gas Storage, Lubor Veleba, angekündigt, vorerst keine weiteren Kapazitäten aufzubauen. Als Begründung nannte der Manager die sinkende Nachfrage nach Erdgasspeicherung. Gleichzeitig wollten die Gasversorger für diese Dienstleistung immer weniger zahlen. Außerdem sei in den vergangenen drei bis vier Jahren der Preisunterschied zwischen den Gaspreisen im Sommer und Winter von 6 bis 8 Euro je Megawattstunde auf 2 Euro gefallen. Diese Differenz war zuvor ein wichtiger Antrieb für Investitionen in Gasspeicher.
Obwohl RWE Gas Storage seine Kapazitäten derzeit komplett vermietet hat, wurde der geplante Ausbau des Speichers Tvrdonice für 2 Milliarden Kronen auf Eis gelegt. Kurzfristig plant das Unternehmen nur noch Investitionen in die Sicherheit der Anlagen und in die überirdische Infrastruktur.
Keine staatliche Hilfe
Andere Unternehmen sehen im Geschäft mit der Gasspeicherung offenbar größere Perspektiven als RWE. Im Herbst 2012 hat das Unternehmen MND Gas Storage im südmährischen Uhřice sein Reservoir um 100 Millionen Kubikmeter vergrößert. Rund 90 Prozent der Kapazitäten sollen bereits bis 2017 vermietet sein. MND gehört zur Investmentgruppe KKCG des Unternehmers Karel Komárek und will weiter investieren. Wie die Zeitschrift „Ekonom“ berichtete, soll dafür bis 2016 die bisherige Gaslagerstätte Dambořice in Südmähren zu einem riesigen Speicher für 448 Millionen Kubikmeter Erdgas ausgebaut werden. Die Investitionskosten belaufen sich auf etwa 100 Millionen Euro. Russlands Rohstoffgigant Gazprom hat sich die Kapazitäten laut Presseberichten bereits zu 90 Prozent für 15 Jahre gesichert. Der Konzern will damit möglichen Lieferengpässen beim Transit durch die Ukraine vorbeugen.
Die Regierung begrüßt den Ausbau der Speicherkapazitäten und will die Genehmigungsprozesse aktiv unterstützen. Allerdings sollen keine öffentlichen Mittel in den Bau solcher Reservoirs fließen. Im Jahr 2012 wurden aus Tschechiens Gasspeichern 2,25 Milliarden Kubikmeter Erdgas entnommen und nur 1,54 Milliarden Kubikmeter hineingepresst. Daher lagen die Erdgasimporte deutlich unter dem Jahresverbrauch.
Der Abdruck des Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Germany Trade & Invest, der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing, die regelmäßig über ausländische Märkte informiert. Der Autor Gerit Schulze ist Korrespondent für Tschechien und die Slowakei.
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