Mission ohne Kapitän
Die tschechischen Tennisherren treten in Belgrad ohne Teamchef Navrátil zur Davis-Cup-Titelverteidigung an
13. 11. 2013 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: draceane
Mitte voriger Woche kam die Hiobsbotschaft zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Kurz vor dem 101. Davis-Cup-Finale fällt bei Titelverteidiger Tschechien Kapitän Jaroslav Navrátil wegen Krankheit aus. Der 56-Jährige erlitt eine Lungenembolie. Er befindet sich zwar bereits auf dem Weg der Besserung, die Reise nach Belgrad kann Navrátil allerdings nicht antreten.
Von 15. bis 17. November trifft das Team um die beiden Spitzenspieler Tomáš Berdych (ATP 7) und Radek Štěpánek (ATP 44) in der serbischen Hauptstadt auf den Gewinner des Jahres 2010. Für Serbien ist es das zweite Finale der Verbandsgeschichte, für die Tschechen als eigenständiges Land bereits die dritte Endspiel-Teilnahme.
Obwohl Funktion und Wirkung eines Teamkapitäns im Tennis nicht überbewertet werden sollten, bringt die Abwesenheit Navrátils gewiss Unruhe in ein Team, das vor einer schwierigen Mission steht. Dass nun der Mann fehlt, der normalerweise auf der Bank sitzt, um seinen Schützlingen in den Pausen mit Rat und psychologischem Geschick zur Seite zu stehen, ist sicher kein Vorteil. Vertreten wird Navrátil vom ehemaligen Fed-Cup-Kapitän und Tennis-Sektionschef bei den Olympischen Spielen 1992 Vladimír Šafařík. Zur Zeit arbeitet Šafařík bei der Sportvermarktungsagentur „České sportovní“. Für die kurze Zeit des Davis-Cup-Finales wird er nun den Posten Navrátils einnehmen. Allerdings relativiert gerade letzterer sein sportliches Gewicht. „Mit Tomáš muss man auf der Bank nicht viel reden, der will Ruhe. Radek braucht schon etwas mehr Kommunikation“, ließ Navrátil noch aus dem Krankenbett verkünden. Und Šafařík sei schon lange nahe am Team dran, er kenne die Spieler und sei ein erfahrener Mann.
In der Tat ist der fehlende Stammkapitän wohl eine der geringeren Sorgen der erfahrenen Profis Berdych und Štěpánek. Sie wissen nämlich nur zu genau, was in der Belgrader Arena auf sie zukommt. Zwar wählten die Serben den auch von den Tschechen bevorzugten Hartplatz-Belag, aber die Spielstätte wird mit über 10.000 fanatischen Fans einem Tollhaus gleichen. Solch eine Kulisse gibt es im „Weißen Sport“ nur selten. 2010 traten die Tschechen mit der gleichen Besetzung an derselben Stelle zur Halbfinalpaarung an. Das Duell verloren sie 2:3. Dabei trat der aktuelle Weltranglisten-Zweite Novak Djokovic zu seinem ersten Einzel nicht einmal an.
Das wird dieses Mal mit großer Wahrscheinlichkeit anders sein. Serbien verfügt zur Zeit nur über zwei Weltklassespieler. Neben Djokovic wird Janko Tipsarevic (ATP 36) die Einzel bestreiten und mit dem „Djoker“ wohl auch das Doppel bilden. Der ehemalige Weltranglisten-Zwölfte Viktor Troicki steht nicht im Kader, er ist seit Sommer wegen eines Doping-Vergehens gesperrt.
Wie schwer es ist, gegen bis in die Haarspitzen motivierte Serben vor eigenem Publikum zu bestehen, mussten Berdych und Štěpánek also schon am eigenen Leib erfahren. Besonders bitter damals: Nachdem sie ihr Land in den ersten drei Partien mit 2:1 in Führung brachten, mussten sich beide ihren Widersachern in den abschließenden Sonntagsspielen deutlich geschlagen geben. Ihre Gegner hießen Djokovic und Tipsarevic.
Djokovic betont stets, wie wichtig ihm der Landeswettbewerb sei. In der krisengebeutelten und in den vergangenen Jahrzehnten oftmals isolierten Nation ist man besonders stolz auf sportliche Erfolge. Umso feuriger strebt man diese an. Die tschechische Delegation wird die Flinte bestimmt nicht vorschnell ins Korn werfen und ebensolchen Kampfgeist an den Tag legen wie vor einem Jahr im gewonnenen Finale gegen Spanien. Im Gegensatz zu damals fehlt nun aber nicht der beste Spieler des Gegners. Rafael Nadal musste für das Finale 2012 wegen Verletzung passen – Novak Djokovic will unbedingt den zweiten Sieg beim Teamwettbewerb.
Dabei kommt hinzu, dass er mit einer großen Portion Selbstvertrauen und einem Erfolgserlebnis in seine Heimat reist: Der 26-Jährige gewann vergangenen Montag die ATP World Tour Finals (ehemals Masters) in London gegen Nadal deutlich in zwei Sätzen. Mit dem Sieg gegen die Nummer eins der Welt holte sich der Serbe seinen dritten Titel bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft, an der die besten acht Einzelspieler des Jahres teilnehmen. Tschechiens Team-Leader Berdych war auch dabei, schied aber bereits in der Vorrunde aus.
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