Das Land der Blechmodelle
In Tschechien überzeugen Spielzeughersteller mit Kreativität und Innovation
7. 11. 2012 - Text: Bernd RudolfText: Bernd Rudolf; Foto: Ravensburger
Der deutsche Spielwarenhersteller Ravensburger plant, seine Produktionsstätten in Tschechien um 600 Arbeitsplätze zu erweitern. Wie die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ Anfang dieser Woche berichtete, sollen mit dem Bau einer weiteren Multifunktionshalle nicht nur die Kapazitäten erweitert, sondern auch die Flexibilität gesteigert werden. Die Geschäfte des Familienunternehmens laufen derzeit blendend. Im vergangenen Jahr konnte die im ostmährischen Polička ansässige Produktionsstätte ihren Umsatz um mehr als 25 Prozent auf 1,5 Milliarden Kronen (59,3 Millionen Euro) steigern. Der Gewinn betrug 140 Millionen Kronen (5,5 Millionen Euro). Auch für dieses Jahr erwartet die Geschäftsführung ein positives Ergebnis.
Mehr Arbeitsplätze
„Der Markt ändert sich rasant. Daher müssen wir vorbereitet sein, um neue Produkte herstellen zu können“, erklärt der Geschäftsführer von Ravensburger Tschechien Marcel Hlouš gegenüber der „MF Dnes“ seine Zukunftsstrategie. Das Unternehmen, das im Gegensatz zu einigen anderen deutschen Herstellern nicht in Asien produzieren lässt, setzt auf den Standort Tschechien. Doch die Deutschen sind nicht die einzigen Branchenvertreter, die die Tschechische Republik als wichtigen und lukrativen Produktionsort ansehen. Auch der dänische Hersteller Lego plant, bis zum Jahr 2014 seine Fabrik in Kladno um 14.200 Quadratmeter und 300 Arbeitsplätze zu erweitern.
Die Spielzeugindustrie besitzt in Tschechien traditionell einen hohen Stellenwert. Laut Angaben des stellvertretenden Vorsitzenden des tschechischen Spielwarenherstellerverbandes (SHH) Jiří Šťastný produzierten im vergangenen Jahr die 190 einheimischen, meist kleineren und mittelständischen Firmen Waren im Wert von 2,1 Milliarden Kronen (83 Millionen Euro). Deutlich höher fiel der Umsatz der ausländischen Gesellschaften aus. „Nach unseren Schätzungen haben Lego, Playmobil, Simba und Ravensburger im vergangenen Jahr zusammen mindestens den doppelten Umsatz erzielt wie die einheimischen Produzenten“, so Šťastný, der für dieses Jahr ein leichtes Wachstum erwartet. „Die Verbraucher kaufen zwar weniger teure Produkte, aber dafür steigt das Volumen“, fügt er hinzu. Selbst die Krise im Jahre 2008 ging fast spurlos an der Branche vorbei. „Die Eltern sparen nicht an ihren Kindern“, so der Vizepräsident. Seiner Ansicht nach werden in diesem Jahr neben dem Smartphone auch jede Menge Baukästen, Blechspielzeug und Gesellschaftsspiele ganz oben auf der Weihnachtswunschliste stehen.
Konkurrenz aus China
Wie in vielen anderen Bereichen hat sich im Laufe der letzten Jahre China zu einem bedeutenden Herstellerland für Spielwaren entwickelt. Laut Šťastný stammen etwa 70 Prozent aller sowohl in Tschechien als auch in der EU verkauften Waren aus dem Reich der Mitte. Vor allem schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Sicherheitsstandards sowie Währungsvorteile würden den Asiaten gegenüber der europäischen Konkurrenz erhebliche Wettbewerbsvorteile bringen. „Die Gefahr ist daher groß, dass viele inländische Hersteller mit langer Tradition verschwinden könnten“, erklärt Šťastný .
Letztendlich entscheidet der Kunde, ob die tschechische Spielzeugindustrie auch in Zukunft stark sein wird. Denn die in China gefertigte Produktpalette unterscheidet sich derzeit noch erheblich von der tschechischen. Während es sich bei den aus Asien stammenden Waren meist um billiges Plastikspielzeug, Plüschtiere und Unterhaltungselektronik handelt, setzen die tschechischen Hersteller auf Kreativität und Innovation. „Bei uns werden vorwiegend Holzspielzeug, Baukästen, Puppen und Gesellschaftsspiele gefertigt“, zählt Šťastný auf. Zudem sei in letzter Zeit auch das Interesse an Blechspielzeug wieder gewachsen. Besonders gefragt seien Nachbildungen alter Modelle. Qualität spiele dabei immer ein sehr große Rolle.
Strenge Normen
„Die Kontrollen für Spielwaren für Kinder unter drei Jahren sind etwa vergleichbar mit denen von Lebensmitteln. Auch Produkte für ältere Kinder müssen den strengen Normen entsprechen“, erklärt der Funktionär. Nur dann würde es ein EU-Zertifikat geben. Allerdings können sich Kunden nicht immer auf dieses Gütesiegel verlassen, vor allem dann, wenn sie asiatische Waren wählen. Seiner Aussage zufolge werden die Etiketten auch auf die Waren gedruckt, die nicht den europäischen Normen entsprechen.
Eltern, die diesbezüglich absolut sicher gehen wollen, sollten laut Šťastný auf einheimische Spielwaren zurückgreifen. „Seit der Gründung im Jahre 1990 versucht unser Verband sicherzustellen, dass nur ungefährliche Produkte in Kinderhände geraten“, meint Šťastný. Um dies zu gewährleisten, suche man die Kooperation mit den Herstellern, Labors, Händlern und Verbrauchern.
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