IT-Branche bleibt Wachstumsmarkt

IT-Branche bleibt Wachstumsmarkt

Unternehmen und Behörden bauen große Rechenzentren auf – Softwaresektor legt überdurchschnittlich zu

20. 11. 2013 - Text: Friedrich GoedekingText: Gerit Schulze; Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Der IT- und Telekomsektor ist ein Schwergewicht unter den tschechischen Wirtschaftszweigen. Mit jährlich über 20 Milliarden Euro erzielt er doppelt so hohe Umsätze wie der einheimische Maschinenbau. Durch ihre breite Anwendung in vielen Branchen sind IT und Telekommunikation den Schwankungen der Konjunktur weniger stark ausgesetzt.

Der IKT-Sektor in Tschechien muss derzeit die Konjunkturschwäche überstehen. Die Verkäufe von Handys, Computern oder Peripheriegeräten stagnieren, weil die Verbraucherstimmung schlecht ist. Branchenvertreter berichten von einer äußerst schwachen Nachfrage der öffentlichen Hand nach Informationstechnologien. „Nicht nur der Sparzwang wirkt sich hier aus, sondern auch die unsichere politische Situation verbunden mit einer mangelnden langfristigen Entwicklungsvision in der öffentlichen Verwaltung“, erklärt Martin Záklasník, Sales Director bei T-Systems Czech Republic.

Unternehmen investieren derzeit nur in IT-Technik, wenn sie dadurch effizienter werden und Kosten sparen können. „Die Wirtschaftskrise bietet für uns eher Chancen“, so Marktexperte Záklasník. „Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Firmen schlanker werden. Deshalb lagern sie viele IT-Dienste aus, wovon Anbieter wie T-Systems profitieren.“ Die Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom hat ihre Umsätze 2012 sogar auf 3,5 Milliarden Kronen steigern können.

Große Vorhaben
Anspruchsvolle Projekte gibt es weiterhin. Linde Gas hat jüngst ein Rechenzentrum in Ropice eröffnet. Von Mährisch-Schlesien aus kontrolliert das deutsche Unternehmen nun 21 Anlagen zur Luftzerlegung in Europa und Asien. Und Russlands größtes Geldinstitut Sberbank hat das mährische Brünn auserkoren, um hier die IT-Plattform für seine Europa-Expansion aufzubauen.

Das Tschechische Statistikamt (ČSÚ) plant, sein zentrales Rechenzentrum zu erneuern und die Regionalbüros mit neuer Hard- und Software auszustatten. Die staatliche Postgesellschaft Česká pošta hat Ausschreibungen für 3,2 Milliarden Kronen gestartet, um in den nächsten vier Jahren Server und Datenspeicher anzuschaffen. Das Arbeits- und Sozialministerium installiert ein IT-System zur Verwaltung und Auszahlung von Sozialleistungen, das laut Ausschreibung ein Auftragsvolumen von 1,4 Milliarden Kronen hat.

Ein riesiges Datenzentrum will Tschechiens größter Webseitenbetreiber Seznam im Umland von Prag errichten. Bislang sind die 1.500 Server des Unternehmens an zwei Standorten in der Hauptstadt verteilt. Der neue Rechnerkomplex soll rund 400 Millionen Kronen kosten.

Gefragte Cloud
Der Boom bei Shared Service Centers (SSC), also Dienstleistungszentren großer Konzerne, sorgt für steigende Nachfrage nach IT-Produkten. Nach Informationen von CzechInvest gibt es bereits rund 80 solcher Einrichtungen, die Unternehmens­prozesse wie Personalverwaltung, Archivierung, Controlling oder Reiseabrechnungen dank schneller Datennetze zentral abwickeln. Bekannte Konzerne wie DHL, Lufthansa, Johnson & Johnson oder Siemens haben in Tschechien bereits SSC aufgebaut.

Neue Trends wie ausgelagerte Speicher- und Serverdienste (Cloud-Computing) verbreiten sich schnell. Jedes dritte Unternehmen im Land plant, seine IT zumindest teilweise in der „Datenwolke“ abzulegen. Wie eine Umfrage des VMware Forum 2013 ergeben hat, nutzten im Mai bereits 37 Prozent aller Firmen Cloud-Dienstleistungen. Ein Jahr zuvor waren es erst 26 Prozent. Martin Záklasník von T-Systems bestätigt das steigende Interesse an diesen Diensten. Wurden anfangs häufig nur Rechnerkapazitäten gebucht, so fragen die Kunden inzwischen immer mehr Datenspeicher oder Software aus dem Cloud-Netzwerk nach, so der Experte.

Wachstumspotenzial bietet der Einsatz von IT bei der medizinischen Versorgung („E-Health“). Bislang hinkt Tschechien hier den nord- und westeuropäischen Ländern stark hinterher. Denn neue IT-Lösungen in den Gesundheitseinrichtungen erfordern Investitionen in Server, Netzinfrastruktur, Drucker und Verbrauchsmaterialien. Solche Mittel sind knapp in den Krankenhäusern. Außerdem fehlt häufig geschultes Personal zur Anwendung der Technik. Dennoch haben einheimische Hersteller wie Arbes Technologies, CompuGroup Medical oder ICZ bereits Softwarelösungen entwickelt, die in Kliniken in Prag, Brünn oder Ústí nad Labem zum Einsatz kommen.

Internationale Erfolge
Das Beispiel E-Health zeigt, dass die tschechischen Programmierer international überaus wettbewerbsfähige Produkte herstellen. Der Softwaresektor hat viele Erfolgsgeschichten geschrieben. Mit AVG aus Brünn hat das Land einen der weltweit führenden Antiviren-Entwickler hervorgebracht. Unicorn aus Prag ist mit Programmen zur Ressourcenplanung (ERP), zur Personalverwaltung oder zur Bearbeitung von Kundenanfragen global erfolgreich bei Firmenkunden. Und Y Soft, ebenfalls aus Brünn, sorgt international für Furore mit seinen Lösungen zur Druckkostenkontrolle.

Die gute Verfügbarkeit von Fachkräften und die Lohnkostenvorteile haben die IT-Konzerne angelockt. Sun Microsystems hat in Prag sein größtes Entwicklungszentrum außerhalb der Vereinigten Staaten aufgebaut. Red Hat beschäftigt in Brünn bereits über 200 Programmierer. Ness hat über 400 Mitarbeiter an seinen Standorten Prag, Brünn und Ostrava. Mit eigenen Softwareabteilungen sind außerdem Skype, Microsoft, Oracle, SAP oder IBM vertreten.

Fachkräfte-Vorteil
Auch für die schwäbische USU AG ist Tschechien inzwischen der wichtigste Produktionsstandort. In Brünn und Prostějov beschäftigt der Softwarehersteller 65 Mitarbeiter. Sie kümmern sich um Design und Programmierung, um Dokumentation und Wartung. Etwa 80 Prozent dieser Aufgaben lässt das Unternehmen inzwischen in Mähren erledigen, sagt Direktor Frank Dreher. Er ist begeistert von den tschechischen Softwarespezialisten, die „größtenteils von der Uni kommen, hervorragend Englisch sprechen und oft besser ausgebildet sind als Fachkräfte in Deutschland.“

Die Lohnkostenvorteile sind allerdings im Laufe der Jahre kleiner geworden. „Noch im Jahr 2000 lagen die Kosten für unseren tschechischen Standort nur bei 25 bis 30 Prozent des deutschen Niveaus“, erklärt Dreher. „Heute haben wir schon 40 Prozent erreicht, mit steigender Tendenz.“ Dennoch sei die gute Verfügbarkeit von Fachkräften in der Region rund um Brünn und Olomouc laut Dreher weiterhin ein großer Vorteil.

Nach Angaben von CzechInvest waren 2012 in Tschechien über 40.500 Studenten an den Unis in Fächern mit IKT-Schwerpunkt eingeschrieben. Die Zahl der Absolventen lag mit knapp 9.000 viermal so hoch wie zehn Jahre zuvor. Informationstechnologien können an elf Hochschulen studiert werden.

Der Abdruck des Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Germany Trade & Invest, der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, die regelmäßig über ausländische Märkte informiert. Der Autor Gerit Schulze ist Korrespondent für Tschechien und die Slowakei.