Schwierige Gespräche

Schwierige Gespräche

Streit um Lustrationsgesetz stellt Koaltionsvorhaben auf die Probe

27. 11. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: Martine Nejezchleba; Foto: čtk

Bohuslav Sobotka strahlte alles andere als Wohlbehagen aus. Dabei durfte er den versammelten Journalisten am Donnerstag vergangener Woche eine positive Botschaft überbringen. „Der Präsident hat mich auf Grundlage der Ergebnisse der Parlamentswahlen gebeten, dass ich auf der politischen Bühne Verhandlungen führe. Diese sollen die Bildung einer Regierung zum Ziel haben, die von einer Mehrheit im Parlament unterstützt wird“, schnaufte Sobotka und schickte dabei gewaltige Atemschwaden in den Nachthimmel über Schloss Lány. Das geht auch spritziger. Aber wer will es dem Chef der Sozialdemokraten verübeln? Musste er doch bei nasskalten vier Grad vor die Presse treten. Und das auch noch vor den Toren der Präsidentenresidenz, dort wo nur einen Monat zuvor sein Untergang geplant wurde.

Jetzt kann sie also auch offiziell beginnen, die Regierungsbildung. Der Grund für den verspäteten Start ist bekannt: Auf einer geheimen Sitzung, deren missglückte Geheimhaltung eine handfeste Krise bei den Sozialdemokraten auslöste, beschlossen Präsident Miloš Zeman und seine Verbündeten in der ČSSD, Sobotka von seinem Posten als Parteivorsitzenden abzuberufen. Vergeblich.

Nun soll es nur noch 14 Tage dauern, bis der Koalitionsvertrag zwischen den Parteien ČSSD, ANO und KDU-ČSL steht. Das verkündete am Dienstag, nur einen Tag nach den ersten Verhandlungen zwischen allen drei möglichen Koalitionsparteien, die ČSSD-Vizevorsitzende Alena Gajdušová. Dass es mit der Zusammenstellung von Sobotkas Kabinett nicht ganz so einfach wird, dafür setzt sich unter anderem Miloš Zeman ein.
Ohne sauberes Lustrationsregister, das bescheinigt, dass in der Vergangenheit keinerlei Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit des kommunistischen Regimes bestand, werde er niemanden zum Minister ernennen. Das würde Andrej Babiš, dem Milliardär, Medienunternehmer und Vorsitzenden der zweitgrößten parlamentarischen Kraft, den Weg in die Regierung versperren. In der Slowakei führt Babiš ein Gerichtsverfahren gegen die dortige Stasi-Unterlagen-Behörde. In einer der Akten taucht Babiš als Agent auf. Während der Unternehmer nun am liebsten auf einen Ministerposten verzichten und sich zum Vize-Premier für Finanzen ernennen lassen möchte, sucht die ČSSD Mittel und Wege, um den Koalitionspartner auf den verantwortungsvollen Posten zu setzen. Am Dienstag dann meldeten sich die Christdemokraten zu Wort: Ohne gültiges Lustrationsgesetz sei mit ihnen kein Koalitionsvertrag zu machen.

Finanzressort: NGO statt ANO
Der Schlüssel für die übrigen Ministerien lautet: 6+6+3. In etwa so wollen sich die ČSSD, ANO und KDU-ČSL die Ressorts aufteilen. Als relativ sicher gelten die Vize-Vorsitzenden Věra Jourová (ANO) im Ressort Regionalentwicklung und Marian Jurečka (KDU-ČSL) an der Spitze des Ministeriums für Landwirtschaft. Beim Schlüsselressort Inneres hat Babiš einen überraschenden Namen ins Spiel gebracht: David Ondráčka, parteiloser Leiter der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International in Tschechien. Als wahrscheinlich gilt jedoch, dass die ČSSD diesen Posten für sich beansprucht.
Inhaltlich sorgt die sogenannte Kirchenrestitution für Sprengstoff. Die Sozialdemokraten möchten bei der Rückgabe der im Kommunismus konfiszierten Immobilien bessere Konditionen für den Staat aushandeln. ANO schließt das nicht aus, die Christdemokraten sind – genauso wie die Kirchen – dagegen.

Eine Annährung konnten zumindest Sozialdemokraten und ANO bei der kontroversen Frage Steuerpolitik erzielen. Der Kompromiss: Im kommenden Jahr sollen die Abgabensätze zunächst stabil bleiben. Babiš würde das gerne bis 2016 beibehalten, die Christ- und Sozialdemokraten hingegen fordern einen erhöhten Spitzensteuersatz.

Bis Ende des Jahres solle die Regierung stehen, sagt Sobotka vergangene Woche vor dem Tor zu Schloss Lány. Mindestens vier Mal also wird der Parteivorsitzende noch an den Ort des Verrats zurückkehren. Mit Zeman habe er vereinbart, ihn jede Woche persönlich über den Stand der Koalitionsverhandlungen zu informieren.