„Geduldiges Bohren dicker Bretter“
Bayern will die Beziehungen zu Tschechien ausbauen – unter anderem mit einer eigenen Vertretung in Prag
27. 11. 2013 - Text: Petr JerabekText: Petr Jerabek; Foto: Henning Schlottmann
Viel unterschiedlicher könnten die politischen Konstellationen in München und Prag nicht sein. Zwar haben in Bayern wie in Tschechien die Bürger in diesem Herbst ein neues Parlament gewählt. Doch während im Freistaat nach dem Triumph der CSU klare Verhältnisse herrschen, muss sich in Prag erst ein Bündnis formieren, das es noch nie gab: Sozialdemokraten, Christdemokraten und die Bewegung ANO des Milliardärs Andrej Babiš suchen nach einer gemeinsamen Basis.
Bayerns alter und neuer Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat bereits die Leitlinien seiner Politik für die nächsten fünf Jahre festgelegt. In seiner ersten Regierungserklärung der neuen Legislaturperiode versprach er unter anderem, die internationale Vernetzung Bayerns auszubauen – mit einem Schwerpunkt auf die unmittelbaren Nachbarn. „Unsere guten und freundschaftlichen Beziehungen zur Tschechischen Republik werden wir dadurch ausbauen, dass wir eine Vertretung des Freistaats Bayern in Prag errichten.“
Während in Tschechien im Kampf um Wählerstimmen noch immer zuweilen antideutsche Ressentiments bedient werden, herrscht in Bayern breiter Konsens darüber, dass gute Beziehungen zwischen beiden Ländern unabdingbar sind. Bei aller Kritik an Seehofers Politik lobte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher den Ministerpräsidenten im Landtagsplenum dafür, dass er in den vergangenen Jahren „die Türen hin zu einer guten Nachbarschaft mit der Tschechischen Republik aufgestoßen“ habe. Und er appellierte an Seehofer, nicht nachzulassen: „Es wäre ein gutes Zeichen, wenn der bayerische Ministerpräsident nach den Wahlen bald wieder an die Moldau reiste und Abgeordnete des Bayerischen Landtags mit ihm.“
Gesprächsbedarf gibt es reichlich zwischen den Verantwortlichen in München und Prag, wie auch Beate Merk (CSU) einräumt, die nach zehn Jahren an der Spitze des Justizministeriums nun als neue Europaministerin für die nachbarschaftlichen Beziehungen des Freistaats zuständig ist. „Besondere Bedeutung unter den zahlreichen Feldern der Kooperation hat neben dem weiteren Ausbau des bereits sehr intensiven Wirtschaftsaustauschs die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere auf der Schiene“, sagte Merk der „Prager Zeitung“. Hier gehe es „um das geduldige Bohren dicker Bretter“. Denn zwischen München und Prag fehlt auch 24 Jahre nach der Grenzöffnung eine schnelle Intercity-Verbindung.
Ein großes Problem ist aus bayerischer Sicht die Drogenkriminalität im Grenzgebiet, vor allem der Handel mit der gefährlichen Aufputschdroge Crystal, die unter anderem auf den Vietnamesen-Märkten in Tschechien verkauft wird. Streitpunkt bleibt ferner der geplante Ausbau des umstrittenen tschechischen Atomkraftwerks Temelín.
Alte und neue Bande
Befürchtungen, die bayerisch-tschechischen Beziehungen könnten wegen der politischen Instabilität in Prag an Schwung verlieren, tritt Merk entgegen. „Die Zusammenarbeit verläuft reibungslos, auch bei den Projekten, die beim Besuch von Premierminister Nečas im Februar dieses Jahres besprochen wurden, zum Beispiel die Vorbereitung einer gemeinsamen Landesausstellung und die Errichtung einer Bayerischen Vertretung in Prag, gibt es keinen Stillstand“, betonte sie.
Auf die SPD-Forderung nach einer weiteren Prag-Reise Seehofers entgegnete die Europaministerin: „Wenn die Regierungsbildung in der Tschechischen Republik abgeschlossen ist und der neue tschechische Premierminister eine Einladung ausspricht, wird Ministerpräsident Seehofer gern wieder eine Reise nach Prag unternehmen.“
Genau hier liegt der Knackpunkt: Mit großem diplomatischem Geschick hatte Seehofer ein vertrauensvolles Verhältnis zum damaligen Regierungschef Nečas (ODS) aufgebaut, traf sich mit ihm zweimal in Prag und empfing ihn seinerseits in München. Doch dieser Gesprächsfaden ist gerissen, da Nečas im Sommer wegen einer Bespitzelungs- und Korruptionsaffäre zurücktreten musste. Es bleibt abzuwarten, wie schnell es Seehofer gelingen wird, auch zum neuen tschechischen Regierungschef einen Draht zu finden.
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