Die Experten danken ab
Knapp sechs Monate nach ihrem Rücktritt räumt die Regierung Rusnok das Feld
29. 1. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: mn/čtk; Foto: čtk
Das ist ein unangefochtener Rekord: 169 Tage war die Regierung Rusnok nach ihrem Rücktritt im August im Amt. Ohne Wahlen, ohne Mandat. Miloš Zeman hatte das Übergangskabinett nach dem spektakulären Ableben der Mitte-Rechts-Koalition von Premier Petr Nečas (ODS) im Juli einberufen. Der Präsident sprach von einer Expertenregierung, die Kritiker von der Zeman-Regierung. Das 15-köpfige Kabinett um den Ökonomen Jiří Rusnok setzte sich zum Großteil aus alten Weggefährten des Staatsoberhauptes zusammen, fünf von ihnen kandidierten später bei den Neuwahlen erfolglos für die Zeman-Partei SPOZ. „Der einzige Weg, um Tschechien zu vorgezogenen Wahlen zu führen, ist eben die Ernennung einer Expertenregierung“, ließ Zeman hören, nachdem das Parlament Rusnok das Vertrauen entsagt hatte und sich daraufhin selbst auflöste. Von da an setzte Zeman alles daran, die Bildung einer neuen Regierung zu verzögern: Er zettelte einen missglückten Putsch in den Reihen des Wahlsiegers ČSSD an, drohte damit, ausgewählte Minister nicht zu ernennen, lud die designierten Ressortchefs über Wochen zu Vorstellungsgesprächen auf der Burg vor. Die Regierung Rusnok hatte indes den Auftrag, „den Staat in Gang zu halten“.
Dabei scheint die Übergangsregierung weit über ihr Ziel hinausgeschossen zu sein. Im Zentrum der Kritik steht vor allem die Personalpolitik einzelner Minister – die möchte Sobotka nach Amtsantritt seines Kabinetts überprüfen lassen. So tauschte etwa Verkehrsminister Zdeněk Žák nach wenigen Wochen im Amt die Führungskräfte großer Staatsbetriebe aus: Heftiges Stühlerücken setzte etwa bei der Tschechischen Bahn oder bei der Autobahn- und Straßendirektion ein. Ebenso resolut, aber mit weniger Geschick gingen andere Kabinettsmitglieder vor: Kulturminister Balvín feuerte wenige Stunden nach Amtsantritt den neuen Direktor des Nationaltheaters, nur um ihn nach lauthalsen Protesten wieder einzusetzen. Innenminister Pecina hingegen sorgte im Dezember mit der Wiedereinberufung von Polizeichef Lessy dafür, dass Tschechien für Wochen zwei Polizeichefs hatte.
Großzügiges Kabinett
Auch mit zahlreichen Gesetzesvorstößen und der Diskussion um die Abschaffung der Förderlimits für Braunkohle sorgte die Rusnok-Regierung für Aufregung. Gegen die Verfassung habe das Übergangskabinett mit seinem forschen Regierungsstil jedoch nie verstoßen, meint Verfassungsrechtler Jan Kudrna von der Karls-Universität: „Rein rechtlich handelt es sich um eine Regierung wie jede andere.“
Kritischer sieht Kudrna die Ausschreibungspolitik: „Sei es eine Regierung mit oder ohne Mandat, rot, blau oder grün, sie sollte so wenig wie möglich öffentliche Aufträge ohne Ausschreibung vergeben.“ Allein in den letzten vier Monaten 2013 hat das Kabinett Aufträge für knapp drei Milliarden Kronen vergeben – oftmals ohne den von Kudrna geforderten Grundsatz.
Großzügig waren die Minister auch zu ihren Staatssekretären: Finanzminister Fischer zahlte alleine einem seiner Spitzenbeamten monatlich rund 70.000 Kronen (circa 2.500 Euro) an Prämien. Das geht aus anonymen Abrechnungen hervor, die dem Nachrichtenportal „lidovky.cz“ vorliegen.
Trotz aller Kritik: Rusnok schaut zufrieden auf seine Regierungszeit zurück. „Wir übergeben das Land in besserem Zustand, als wir es übernommen haben“, sagte Rusnok in einem Interview für das Tschechische Fernsehen und hob dabei vor allem das Wirtschaftswachstum, die Steuereinnahmen und die effektive Nutzung der EU-Fonds hervor.
Auch der Blick in die Zukunft dürfte die scheidenden Minister freuen: Rusnok wird vom Präsidenten in den Rat der Nationalbank berufen, Verteidigungsminister Picek geht als Berater auf die Burg und Jan Fischer in Urlaub.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“