Ertragreicher Tauchgang
Wahrscheinlich Überreste der Judithbrücke geborgen – Dauerausstellung im Altstädter Brückenturm geplant
6. 2. 2014 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: El coleccionista de instantes
Jede Menge Schrott, Bierflaschen, Sektgläser, Münzen, Fotoapparate, Handys und sogar eine Pistole: Taucher fischten vor zwei Wochen in der Nähe der Karlsbrücke allerhand Unrat, aber auch Kurioses aus der Moldau. Die wertvollsten Fundstücke des dreitägigen Tauchgangs haben jedoch weder etwas mit tollpatschigen Touristen, durchzechten Nächten oder irgendeinem Verbrechen zu tun. Sie stammen womöglich von der Judithbrücke, die im 12. und 13. Jahrhundert die Prager Kleinseite mit der Altstadt verband.
Ob es sich dabei wirklich um Überreste der ersten in Böhmen errichteten Steinbrücke handelt, die 1342 von einem Hochwasser vernichtet und kurze Zeit später von der Karlsbrücke ersetzt wurde, könne man laut Olga Šámalová erst nach entsprechenden Untersuchungen sagen. Wie die Sprecherin des Prager Stadtmuseums mitteilte, stünden die Ergebnisse erst in einigen Wochen fest.
Bereits im Winter vor fünf Jahren waren Teile der Judithbrücke aufgetaucht. Für Archäologen und Historiker stellten die damals entdeckten Brückenpfeiler einen besonderen Fund dar. Schließlich gibt es nur wenige Brücken aus romanischer Zeit, von denen Überreste erhalten sind. Im Museum der Karlsbrücke, direkt am Altstädter Brückenturm gelegen, können Besucher einen Bogen und einen Pfeiler der Judithbrücke sehen.
Die Taucher fanden in der Moldau auch ein Fragment der Originalstatue des Heiligen Ivo, dem Patron der Rechtsgelehrten. Heute befindet sich auf der Karlsbrücke nur noch eine Kopie der im Jahre 1711 vom böhmischen Bildhauer Matthias Bernhard Braun geschaffenen Figur. Das Original wird, wie fünf weitere der insgesamt 30 Statuen, im Lapidarium des Nationalmuseums aufbewahrt.
Einige der vor kurzem vom Grund der Moldau gehobenen Schätze werden nach Plan des Stadtmuseums Ende 2014 in einer Dauerausstellung im Altstädter Brückenturm zu sehen sein. Auch Fotografien und Filmaufnahmen, mit denen die Taucher ihre Arbeit unter Wasser dokumentierten, sollen zu der ungewöhnlichen Schau gehören. (mh/čtk)
Die Judithbrücke – die zweitälteste Steinbrücke Mitteleuropas
„Ihre Taten, unsere werte Judith, berühmteste Königin von Böhmen, zeigen, wie klug, edel und tüchtig Sie sind. Was jedoch alles überragt, ist das Werk der Prager Brücke. Das, was keiner der Fürsten, Herzöge und Könige bis zu Ihrer Regierung durchzuführen vermochte, haben Sie, unsere ruhmvolle Herrscherin, innerhalb von drei Jahren geschafft.“
– Die überschwänglichen Worte des Chronisten František Pražský gebühren Judith von Thüringen (1135–1174). Die Gemahlin von Vladislav II., dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa als zweitem aus dem Geschlecht der Přemysliden die böhmische Königskrone verliehen hatte, soll den Bau der nach ihr benannten steinernen Brücke in Auftrag gegeben haben. Die Verbindung zwischen Altstadt und Kleinseite ersetzte eine flussabwärts befindliche Holzbrücke, die im Jahr 1157 von einem Hochwasser zerstört worden war.
Als Vorbild diente die rund 30 Jahre zuvor errichtete Steinbogenbrücke in Regensburg. Die Judithbrücke wurde auf einer Länge von 514 Metern und einer Breite von 7 Metern von 21 Bögen auf 20 sechseckigen Pfeilern getragen. Auf der Kleinseite schloss sie ein Turmpaar ab, von dem der kleinere bis heute als einer der beiden Kleinseitner Brückentürme erhalten ist. Auf der anderen Moldau-Seite wurde ein Tor neben der Kreuzherrenkirche errichtet.
Am 3. Februar 1342 ereilte die Brücke das gleiche Schicksal wie ihre Vorgängerin: Ein Hochwasser riss den größten Teil der Judithbrücke mit sich. „Als die berühmte Brücke zusammenbrach, war es, als ob die königliche Krone verschwunden wäre“, trauerte damals Chronist Pražský. Auf Geheiß von Kaiser Karl IV. wurde 15 Jahre später nur wenige Meter flussaufwärts mit dem Bau einer neuen Brücke begonnen. Um sie vor den Fluten zu schützen, ließ der damals erst 27-jährige Baumeister Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd die „Prager Brücke“ vier Meter höher als die Judithbrücke errichten. Bis zur Fertigstellung verging fast ein halbes Jahrhundert; heute gehört die Karlsbrücke (die erst seit Ende des 19. Jahrhunderts so genannt wird) mit ihrer Galerie barocker Heiligenfiguren zu den Wahrzeichen der Stadt. (mh)
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