Gegen die Regeln
Schweizer Votum über die „Masseneinwanderung“ sorgt auch in Tschechien für Aufsehen
13. 2. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Wladyslaw
Knapp zwei Jahre nach der Einführung der sogenannten Ventilklausel, die die eingeschränkte Immigration von Bürgern aus osteuropäischen Ländern (EU-8) vorsieht, verstärkt die Schweiz ihre restriktive Einwanderungspolitik weiter. Die am vergangenen Wochenende durchgeführte Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ wurde mit 50,3 Prozent und dem notwendigen Ständemehr – eine Mehrheit der 26 Kantone – äußerst knapp angenommen. Auch in der Tschechischen Republik blieben die Reaktionen auf dieses Ergebnis mit europaweiter Signalwirkung nicht aus.
Die Berichterstattung hierzulande richtet sich vor allem auf die Reaktionen innerhalb der Europäischen Union. In den Zeitungen und im Fernsehen werden der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier oder Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn zitiert. Sie alle finden klare Worte zum Schweizer Votum. Asselborn drohte mit „Konsequenzen“, Schulz meint, „das Ergebnis ist gefährlich für die Schweiz“ – die Verstimmung ist deutlich. Der Tenor geht vor allem in eine Richtung: Eine Mehrheit im Alpenstaat will Quoten bei der Personenfreizügigkeit einführen, aber profitiert gleichzeitig vom freien Handel im europaweiten Binnenmarkt. Diese Form der „Rosinenpickerei“ kommt in der EU nicht gut an, vor allem, weil sie die Regeln des Schengener Abkommens verletzen würde.
Die Kommentare tschechischer Politiker und Experten fielen hingegen eher gemäßigt aus. Noch bei der Verabschiedung der Ventilklausel im Frühjahr 2012 äußerte der damalige Außenminister Karel Schwarzenberg (TOP 09) großes Bedauern und erkannte darin eine „klare Diskriminierung“. Zwei Jahre später meint er, „dass sich die Schweizer noch wundern werden, welche Folgen dieses Votum haben wird.“ Freilich gestaltet sich die Ausgangslage nun anders, schließlich betrifft die beschränkte Zuwanderung in die Schweiz nun alle EU-Bürger und nicht nur einen bestimmte Gruppe.
„Das Ganze steht im Widerspruch zu den Beschlüssen des Schengenraums, sodass keine große Freude aufkommt“, gab der amtierende Außenminister Lubomír Zaorálek (ČSSD) am Montag am Rande eines Chefdiplomaten-Treffens in Brüssel zu Protokoll. Regierungschef Bohuslav Sobotka (ČSSD) ließ am gleichen Montag verlauten, dass er im Schweizer Abstimmungsergebnis „einen Trend in hochentwickelten Ländern“ erkennt, der sich „in den letzten Jahren verstärkt hat“. Tschechien werde seine Zuwanderungspolitik nicht ändern. Anders sehe es aber bei der Immigration von Arbeitnehmern aus, die aus Nicht-EU-Ländern stammen. Solchen Abstimmungen könne er durchaus Verständnis entgegenbringen, sagte Sobotka.
„Ängste werden geschürt“
Das „Ja“ der Schweizer zur Masseneinwanderungsinitiative hat einen europaweiten Diskurs angestoßen. Zahlreiche EU-Bürger stehen der Staatengemeinschaft immer skeptischer gegenüber. Der Zulauf, den rechtspopulistische Parteien zwischen Sizilien und Spitzbergen erfahren, dürfe nicht auf Fremdenfeindlichkeit reduziert werden. Laut Jarmila Wunderlin-Taliánová sei es vor allem ein Gefühl des Unbehagens mit Blick in die Zukunft, das Menschen immer verschlossener werden lässt, analysierte die schweizerisch-tschechische Publizistin und Schriftstellerin die Situation in ihrer zweiten Heimat für das Tschechische Fernsehen. „Der aggressive Wahlkampf der Schweizerischen Volkspartei SVP hat Ängste geschürt“, so Wunderlin-Taliánová. Und diese Ängste und Zweifel sind überall in Europa auszumachen. Schaut man sich die Leserkommentare in den hiesigen Zeitungen an, so trifft diese Erscheinung auch auf Tschechien zu.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“