Von Mähren nach Modena und zurück
Aus tschechischer Milch, aber nach italienischem Rezept entsteht der Hartkäse „Gran Moravia“ in Litovel
26. 2. 2014 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Zdena Piková/Orrero
Bier und Knödel vielleicht, aber Hartkäse? Den würden die wenigsten auf die Liste der tschechischen Exportschlager setzen. Das Unternehmen Orrero beweist das Gegenteil. Es kauft etwa sieben Prozent der einheimischen Milch und verarbeitet sie vorwiegend zum Extrahartkäse „Gran Moravia“. Hergestellt wird er im mährischen Litovel, verkauft zu 95 Prozent ins Ausland. Ganz ohne italienische Einflüsse geht es bei der Herstellung des parmesanartigen Käses aber nicht zu: Orrero ist ein tschechisch-italienisches Unternehmen, das auf die Kombination aus einheimischer Milcherzeugung und italienischer Geschmackstradition setzt.
Aller Anfang war klein
Die Geschichte der mährischen Hartkäseproduktion begann mit einer Hochzeit. Marie Martinů aus Mohelnice in Mähren hatte einen Mann aus Modena geheiratet, einer italienischen Stadt in der Heimatregion des Parmesan-Käses. Anfang der neunziger Jahre entschloss sie sich, auch in Mähren eine handwerkliche Käserei aufzubauen wie es sie in Modena gab, um hierzulande ebenfalls einen lange reifenden Hartkäse herzustellen. Das Unternehmen fing klein an. Höchstens 20 Käselaibe pro Tag konnte Martinů, die heute Ehrenvorsitzende von Orrero ist, in den ersten Jahren herstellen. Die tschechischen Mitarbeiter schickte sie nach Italien, damit sie dort die Technik der Käseproduktion erlernen. Doch mit einer Schulung war es nicht getan, die Käseherstellung kein Kinderspiel. Die mährische Milch erwies sich zwar als geeignet, die Qualität des Käses war jedoch mal besser, mal schlechter. Deshalb wurde schließlich ein Partner mit mehr Erfahrung gesucht und mit der italienischen Familie Brazzale gefunden. Die konnte auf eine lange Tradition in der Herstellung von Hartkäse verweisen.
Die Käserei in Litovel wurde nach dem Zusammenschluss neu ausgestattet und die Produktion verbessert. Im Jahr 2003 schließlich wurde der „Gran Moravia“ geboren, nach original italienischer Rezeptur und Tradition, aber dennoch der mährischen Identität eng verbunden, wie es bei Orrero hieß. Schon allein, weil auf den mährischen Wiesen die Kühe weideten, die den Rohstoff lieferten. Von 6.000 Liter stieg die täglich verarbeitete Milchmenge schnell an. Heute sind es etwa 450.000 Liter, die in der Käserei in Litovel zu Käse gemacht werden. Die Milch wird aus etwa 80 mährischen Zuchtbetrieben angeliefert. Täglich werden dafür fast 20.000 Kühe gemolken. Die Menge entspricht ungefähr acht Prozent der gesamten tschechischen Milchproduktion.
Dunkelgelb und glänzend
Mehr als zehn Jahre nach seiner Erfindung ist der „Gran Moravia“ noch immer der bekannteste und beliebteste Orrero-Käse. Er macht etwa zwei Drittel der Gesamtproduktion in Litovel aus. Der Extrahartkäse reift lange und hat eine feinkörnig, brüchige bis krümelige Konsistenz. Seine ölig glänzende Rinde ist sehr hart, etwa zwei bis vier Millimeter dick und dunkelgelb gefärbt. Weil der Hersteller Wert auf Ökologie und Umweltschutz legt, ist der „Gran Moravia“ seit 2010 auch der erste Käse, dessen „Wasserfußabdruck“ berechnet wurde: 2.067 Liter Wasser werden demnach benötigt, um ein Kilogramm Käse herzustellen. Orrero zufolge ist das weniger als die Hälfte dessen, was im Durchschnitt bei der Käseherstellung benötigt wird.
Nachdem sich das Unternehmen Orrero zunächst auf die Steigerung der Produktion und den Export konzentriert hatte, begann es 2007 auch im inländischen Einzelhandel aktiv zu werden. Als Pilotprojekt eröffnete es ein Geschäft im Zentrum von Olomouc. Bald wurde das Konzept des Direktverkaufs erweitert, mit „La Formaggeria“ wurde dafür eine Marke entwickelt, die an italienische Käsetradition erinnern, aber auch für tschechische Kunden verständlich sein sollte. Mittlerweile werden der „Gran Moravia“ und andere Käsesorten hierzulande in insgesamt elf „La Formaggeria“-Geschäften direkt vertrieben. Jeweils drei befinden sich in Prag und in Brünn, weitere sollen demnächst folgen. In diesen Geschäften bietet das Unternehmen Produkte aus Litovel sowie aus Italien an, unter anderem den „Gran Moravia“, aber auch Mozzarella, Grana Padano oder Parmigiano Reggiano.
Brazzale
Orrero gehört zur Brazzale-Gruppe. Diese bezeichnet sich als das älteste italienische Familienunternehmen im Bereich der Käseindustrie. Ihre Anfänge reichen über acht Generationen bis ins 18. Jahrhundert zurück. 2002 schloss sich Brazzale mit Zaupa zusammen, ein weiteres italienischen Familienunternehmen, das bereits über mehrere Generationen Käse herstellt. Die Unternehmensgruppe machte 2012 etwa 165 Millionen Euro Umsatz, hat mehr als 500 Angestellte und sechs Fertigungsstandorte in Italien, Brasilien, Tschechien und China. Jedes Jahr produziert Brazzale insgesamt 17 Millionen Kilo Butter und 18 Millionen Kilo Käse, die es in mehr als 50 Länder verkauft. Seit 2003 wird im mährischen Litovel der „Gran Moravia“ hergestellt, der dann zum Reifen in den norditalienischen Ort Zanè gebracht wird. In Litovel werden außerdem Butter und weitere Käsesorten produziert. (ca)
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