Blick in die Presse
Tschechische Pressekommentare zum EU-Kurs der neuen Regierung und zur Krise in der Ukraine
5. 3. 2014 - Text: PZText: PZ
Kein Teufelswerk | Das Wochenmagazin „Respekt“ findet Positives an der neuen Regierung: „Im Schatten des Dramas im Osten gab es letzte Woche noch ein wichtiges Ereignis bei uns zu Hause: die Geburt einer tschechischen Außenpolitik, deren neues Kennzeichen ein gutes Verhältnis zur EU ist. Die Ansprache von Präsident Miloš Zeman in Straßburg – von den Bonmots über Glühbirnen mal abgesehen – führt unser Land zurück in die anständige europäische Gesellschaft. Der tschechische Präsident sagte klar, dass er sich eine baldige Übernahme des Euro wünsche und dass er eine tiefere Integration der EU für wichtig erachte: von der Vereinheitlichung ihrer Steuern, der Armeen und der Außenpolitik bis zur Föderalisierung. (…) Die tschechische Öffentlichkeit muss solche Worte oft hören, damit sie ihr helfen, die neue Nachricht zu verarbeiten, dass die EU kein Teufelswerk ist. Im Übrigen trug Außenminister Lubomír Zaorálek einen Tag vor Zemans Straßburger Rede in der Slowakei diese Sätze vor: ‚Die EU ist für uns eine schicksalhafte, lebenswichtige Angelegenheit. Ihr Erfolg ist unser Erfolg, und umgekehrt wäre ihr Scheitern für uns ebenso ein Unglück.‘“
Zu weiche Macht | Die „Lidové noviny“ mokiert sich hingegen über die „Memoranden, die aus aller Welt zu Putin strömen und zumal aus dem mächtigen Europa – aus dem Europa, dessen ‚einheitliche Diplomatie‘ ziemlich verdutzt dasteht. (…) Die ukrainische Krise legt die Grenzen der europäischen ‚weichen Macht‘ offen, die sich in entscheidenden Momenten auf Null zubewegt. Wenn jemand bereit ist, die Freiheit zu verteidigen, dann sind das die NATO und die USA – nicht jedoch die EU, deren einzelne Staaten mit Russland separate Abkommen auf Kosten der anderen in einem solchen Schlüsselbereich aushandeln, wie ihn die Energiesicherheit darstellt. Am Mittwoch, als der tschechische Präsident im Europäischen Parlament eine Rede hielt, sagte er kein Sterbenswörtchen zur Ukraine. Und das berühmte Parlament befasste sich, wir zitieren, mit der Verbesserung der Dienste für die Bahnreisenden, mit Verbesserung von Informationen, Schutz und Beratung für die Kunden im Versicherungswesen, mit Plänen, wie man junge Leute vom Rauchen abbringen kann, und mit dem Notruf-System „e-call“ aus Kraftfahrzeugen. Die Chinesen sagen uns mit Geringschätzung, dass wir uns in ein Museum verwandeln, dass sich nur mit dem eigenen Betrieb beschäftigt. Einstweilen sind wir vielleicht noch fähig, das Gebiet der Staaten der Union zu schützen – aber keinen Deut mehr. Die Frage ist, wie lange bei den stetig sinkenden Ausgaben und nicht vorhandenem Willen zur Verteidigung diese Fähigkeit noch besteht.“
Imperiale Politik | Die „Hospodářské noviny“ riskiert einen Blick in die Zeit nach dem Konflikt um die Ukraine: Dann dürfe „die Illusion nicht schrittweise zurückkehren, dass ‚die Ukraine weit entfernt ist’ und es mit Russland möglich ist, besondere Beziehungen gemäß dem Prinzip des beiderseitigen Vorteils aufzubauen. Zum Beispiel werden wir zu unterscheiden lernen müssen, wo der normale Handel endet und wo die ‚russischen Interessen’ anfangen. Eine gute Gelegenheit dazu wird gegebenenfalls der Bau des neuen tschechischen Kernkraftwerks oder die Entwicklung einer neuen staatlichen Energiekonzeption sein. Es wäre auch eine Überlegung wert, ob der tschechische Botschafter in Russland ausgerechnet jemand sein muss, der für russische Interessen übermäßiges Verständnis hat. Lapidar gesagt: Es ist Unsinn, die reichen Russen aus Karlsbad zu vertreiben, aber wir sollten uns westlich orientieren, wo immer das möglich ist. Eine Selbstverständlichkeit sollte die eindeutige Unterstützung derjenigen Länder sein, die sich durch die erneuerte imperiale Politik Russlands zu Recht mehr als wir bedroht fühlen – handle es sich nun um das Baltikum, Georgien oder Moldau.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“