Risse im Paradies

Risse im Paradies

Die Palastgärten müssen dringend renoviert werden. Die Kastellanin sammelte Beweise für Misswirtschaft in den Gärten unterhalb der Burg. Das kostete sie ihren Job

16. 4. 2014 - Text: Maria SilenyText und Foto: Maria Sileny

Valdštejnská-Straße auf der Prager Kleinseite: Das gusseiserne Tor neben der Hausnummer 14 führt in eine blühende Welt von barocker Schönheit – in die Palastgärten am Südhang der Prager Burg. Die fünf Gärten, im 17. und 18. Jahrhundert errichtet, dienten ursprünglich ihren adeligen Besitzern zur Freude und Erholung. Und bis heute tragen sie deren Namen. Ob Ledebour, Palffy, Fürstenberg oder Kolowrat: Die Gärten im italienischen Stil gehören heute zu den schönsten Sehenswürdigkeiten Prags. Von ihren fast 30 Terrassen eröffnen sich den Besuchern atemberaubende Blicke auf die Dächer und Türme der Stadt. Architektur und Natur ergänzen sich zu einem Paradies – zumindest auf den ersten Blick.

Das Paradies hat Risse, wie Besucher bald merken können. Ganz konkrete Risse in den Mauern, zum Beispiel. Der Putz bröckelt, die Ziegeln da­runter kommen zum Vorschein. Springbrunnen liegen trocken. Manche der Treppen sind derzeit geschlossen. Sie zu betreten wäre gefährlich, weil auch sie bröckeln. Kurz und gut: Die kostbare Sehenswürdigkeit ist in einem dürftigen Zustand. Und das, obwohl das Nationale Denkmalinstitut (Národní památkový ústav) die Gärten zwischen 1990 und 2000 aufwendig restaurieren ließ, zum Preis von 400 Millionen Kronen (knapp 14,5 Millionen Euro). An der Finanzierung hat sich auch Prinz Charles beteiligt, daran erinnert eine Gedenktafel im Großen Palffy-Garten.

Helena Doubková hat die fünf Gärten als Kastellanin drei Jahre lang verwaltet. Vor Kurzem wurde sie entlassen. Sie sagt, sie habe sich darum bemüht, die baulichen Mängel des Areals aufzudecken. Sie sagt auch, die Restaurierung sei nicht korrekt durchgeführt worden. Ungeeignete Materialien wurden verwendet, zum Beispiel hohle Ziegeln, die Wasser aufsaugen und dann bei Frost aufplatzen. Zudem sei schlampig gearbeitet worden. Mühsam habe Doubková die Projektdokumentation im Archiv des Nationalen Denkmalinstituts zusammensuchen müssen. Die Dokumentation habe sie dringend gebraucht, um das Objekt verwalten zu können und die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten, wie es in ihrer Verantwortung lag. „Es war nicht im Interesse meiner Vorgesetzten, Klarheit in die Angelegenheit zu bringen“, sagt die Ex-Kastellanin.

Eine gefährliche Sache
Nach einem Jahr Recherche kennt sie alle Mängel, auch solche, die tiefer liegen. Ihre Gründlichkeit und Neugierde haben sie ihren Job gekostet. Einen offi­ziellen Kündigungsgrund habe man ihr nicht mitgeteilt.

Doubková beklagt, dass elektrische Leitungen nicht korrekt gelegt wurden. Sie seien nicht vor Wasser geschützt. Eine gefährliche Sache, denn das Areal der Gärten ist auf Schieferstein gebaut, der Wasser nicht einsickern lässt. Die Entwässerungsröhren seien ebenfalls nicht korrekt gelegt worden. Sie lösen das Wasserproblem nicht, sagt Doubková.

All diese Mängel bestätigt auch Architekt Vojtěch Pošmourný, der für die technische Verwaltung der Gärten ein Jahr lang, bis Ende 2013, zuständig war. Er macht auf die Situation im Ledebour-Garten aufmerksam, der gerne von Hochzeitsgesellschaften gebucht wird. Seine Besonderheit ist die sogenannte Sala terrena, ein offener Pavillon, geschmückt mit einem Fresko, das den Untergang von Pompei zeigt. Ein Ort wie geschaffen für Feste.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Ledebour-Gartens ist ein Brunnen, geschmückt mit einer barocken Herkules-Plastik, platziert in der Mitte einer zweiseitigen Treppe. Dort lassen sich Hochzeitsgäste gerne fotografieren. Doch der Brunnen, wie Pošmourný sagt, wird jeweils nur kurzfristig, auf Bestellung, in Betrieb genommen. Ansonsten bleibt er trocken. Denn er hat undichte Stellen, das Wasser fließt hinaus. Bei Regen läuft es auf die Treppen hinaus.

Auch in der Nähe der Sala terrena hat sich jahrelang ein Wasserproblem angekündigt, wie Pošmourný berichtet. Die Zuständigen hätten aber erst dann nach der Ursache gesucht, als sich Flecken am Denkmal zeigten und das Wasser herauszuspritzen begann. Das Fresko muss nun renoviert werden.

Mangelhafte Instandhaltung
Im Kleinen Palffy-Garten verliert die Terrasse nach und nach ihre Stabilität. Sie wölbt sich nach vorne, weil der Boden infolge der schlecht gelösten Entwässerung mit Wasser getränkt ist. Das bestätigen kürzlich durchgeführte hydrologische Untersuchungen.

Eine erneute Sanierung ist vorgesehen, nächstes Jahr soll sie beginnen. Nach Auskunft des Direktors für regionale Denkmalverwaltung Dušan Michelfeit werden die Mängel jetzt untersucht und die Arbeiten geplant. Die Mitteilung schickte er schriftlich, ein Interview mit der „Prager Zeitung“ lehnte er ab, wegen Zeitmangel. Michelfeit bestätigt den „unbefriedigenden Zustand der Gärten“ und begründet ihn im gleichen Satz hauptsächlich mit ihrer Vermietung an eine Firma, die von 2004 bis 2008 für die öffentliche Nutzung der Gärten zuständig war. Der Mietvertrag sei für das Nationale Denkmalinstitut äußerst ungünstig gewesen, langwierige Gerichtsverfahren folgten, all das habe dazu geführt, dass die Instandhaltung der Gärten in dieser Zeit vernachlässigt wurde, schreibt Michelfeit. Die schriftliche Erklärung lässt Fragen offen. Wer hat wie und was vernachlässigt? Wer war wann und wofür zuständig?

Helena Doubková jedenfalls stellt nach drei Jahren ihres Wirkens in den Palastgärten fest: „Bei der Denkmalpflege in Tschechien sollte man über systematische Reformen nachdenken. Es fehlen Kontrollmechanismen. Meist ist nicht klar, wer wofür verantwortlich zeichnet und was geschehen soll, wenn etwas nicht funktioniert.“

Mit Begeisterung hat sie in den Gärten gearbeitet. „Sie berühren die menschliche Seele, haben ein Charisma“, erzählt sie. Unterwegs in den Gärten vergesse man die Anzahl der Treppen, die man steigt – zwischen Brunnen, Rosen, Lavendel und immer wieder neuen Ausblicken auf Prag, die Hunderttürmige.

Den aktuell eingeplanten Sanierungsbetrag von etwas über 40 Millionen Kronen (rund 1,5 Millionen Euro) hält Doubková für völlig unzureichend: Damit könne man die Blitzableiter renovieren, die elektrischen Leitungen absichern und die Entwässerung verbessern, für mehr reiche es nicht, sagt sie. So bleibe es womöglich wieder nur dabei, eine gefällige Fassade zu schaffen, die bald wieder zu bröckeln beginnt.

Während der Arbeiten, die nächstes Jahr beginnen, sollen die Gärten weiterhin zugänglich bleiben, versichert schriftlich Dušan Michelfeit vom Nationalen Denkmalinstitut. Doch auch dieses Jahr, vor der Instandsetzung, sei das Gartengelände völlig sicher für Besucher, beteuert er. Und lädt zu einem Besuch ein.

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