Blick in die Presse
Tschechische und deutsche Pressestimmen zum Gauck-Besuch, den „Putin-Verstehern“ und der Europawahl
14. 5. 2014 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach; Foto: APZ
Fade Sätze | Die Wochenzeitung „Respekt“ schaut etwas neidvoll auf den deutschen Bundespräsidenten: „Bei der Betrachtung der zwei Jahre dauernden Tätigkeit Gaucks im Präsidentenamt ist es unverkennbar, wie Tschechien ein ähnlicher Politiker fehlt, der den Bürgern den Sinn der täglichen Politik erklärte und der in dieser Hinsicht so etwas wie einen Kompass hätte. Nicht einmal respektierte Politiker haben das bislang geschafft: Karel Schwarzenberg schwieg zu sehr aus taktischen Gründen, als die Bürger auf seine Worte am meisten warteten, Vladimír Špidla verliert sich dauernd in faden Sätzen. Falls sich das bis zum nächsten Besuch des deutschen Präsidenten nicht ändert, sollte es Gauck selbst tun: Neben versöhnlichen Worten über die Vergangenheit könnte er darüber sprechen, dass es den Tschechen noch nie so gut ging wie heute. Und dass sie also statt zu wehklagen ebenfalls einen größeren Teil an Interesse und Verantwortung für die Welt jenseits ihrer Grenzen übernehmen sollten.
Schlotternde Knie | Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schlägt eine Brücke von Putin zum Gauck-Besuch: „Den Tschechen schlottern bei dem Gedanken, welche russische Minderheit Putin als nächste vor ihrer eigenen Regierung „beschützen“ wollen könnte, nicht ganz so die Knie wie den Esten. Denn Russen in der nötigen Konzentration finden sich in Böhmen höchstens in Karlsbad, aus dem die Tschechen nach dem Krieg die Deutschen vertrieben hatten, um, jedenfalls im Ergebnis, Platz für die reichen Russen zu schaffen, die nach der Wende die sowjetischen Besatzungstruppen ablösten. Doch mit der Geschichte, und schon gar nicht mit deren Ironie, wollen sich die deutsche und die tschechische Politik seit Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung nicht mehr befassen. Den Bundespräsidenten hinderte das bei seinem Staatsbesuch in Prag freilich nicht daran, sich den ‚dunklen Seiten der Vergangenheit’ zu stellen.“
Blinde Putin-Versteher | Gemäß der Prager „Wirtschaftszeitung“ sind die deutschen „Putin-Versteher“ auf einem Auge blind, wenn sie nur an die beispiellosen Opfer der Sowjetunion zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus erinnerten. „Bloß wird irgendwie vergessen, dass nicht nur Russen Opfer des deutschen Nazismus waren, sondern in riesigem Ausmaß auch die Bewohner der Ukraine. Es litten auch die Tschechen und besonders Polen – das die Deutschen und Russen sogar für eine gewisse Zeit gemeinsam besetzt hielten.“ Und das Blatt fragt: „Was passiert, wenn die deutschen ‚Realisten’ nach der gleichen Logik, mit der sie heute die Ukraine als natürliche Einflusssphäre Russland bezeichnen, morgen ihre Nachbarn als legitime deutsche Einflusszone markieren – Polen oder etwa die Tschechische Republik? Versteht der Teil der deutschen Öffentlichkeit (…), der Putin verteidigt, dass ihre Gedankengänge anfangen können, bei den Nachbarn in Mitteleuropa Befürchtungen zu wecken?“
Geschraubte Reden | Die „Volkszeitung“ beklagt das niedrige Niveau der Informationen und Debatten im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament: „Unsere Einstellungen zur EU sind seit Langem im Schlepptau von Gefühlen und wir sind überhaupt nicht bereit, uns unsere Meinungen auf der Grundlage von Analysen zu bilden. (…) Die anstehenden EU-Wahlen helfen uns nicht in der Orientierung, denn erstens halten sich die Parteien nur an die Themen, von denen sie glauben, dass sie ihnen Stimmen einbringen, und zweitens haben diese Wahlen gar kein sachliches Thema. Wenn ihr uns wählt, begeht ihr keine Dummheit, sagen alle, aber was sie konkret durchsetzen können und wollen, das verschweigen sie erfolgreich oder hüllen es in geschraubte Reden. Kann das anders als mit einer Enttäuschung enden?“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“