Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zur Europawahl und zur Energieabhängigkeit von Russland

21. 5. 2014 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

In die Irre geführt | Das Wochenmagazin „Týden“ beklagt das niedrige Niveau der Parolen im Wahlkampf zum Europäischen Parlament. „Das totale Nichtverstehen der EU seitens der tschechischen Politiker und vielleicht auch der Wähler ist bestürzend. (…) Das Beste daran ist, dass uns die tschechischen Parteien eigentlich in die Irre führen – im Europäischen Parlament sitzt man nämlich nicht nach Nationen, sondern nach politischen Gruppen, und so wird auch abgestimmt. In den letzten zehn Jahren finden wir kaum ein Beispiel, dass die tschechischen Abgeordneten gemeinsam votiert hätten. Wie also ,wollen wir in der ersten Liga spielen‘? (…) Warum artikuliert die tschechische Rechte den Kampf für die Krone anstatt die aktuellen Schlüsselthemen, zum Beispiel die Finanztransaktionssteuer oder die starre Arbeitsmarktordnung. Vermutlich, damit sie zuhause alles als Entscheidungen von oben erklären können, die ‚jene’ uns eingebrockt haben. Statt demokratischer Verantwortung spielen wir unseren alten edlen Kampf gegen die Obrigkeit. Das ist bei uns populär.“

Einstweilen und leider | Auch die Tageszeitung „Právo“ ärgert sich über Mythen oder gar Lügen über die EU, diesmal in der Diskussion um den künftigen tschechischen EU-Kommissar: „Die Europäische Kommission von heute ist ein irgendwie geschlechtsloses Exekutivorgan. Ihr Vorzug allerdings ist, dass sie an einem Strang zieht und im Interesse Europas handelt, keineswegs nach den Bedürfnissen und Launen einzelner Mitgliedsländer. Aufgabe der EU-Kommissare ist deshalb nicht, ihren Heimatstaat zu repräsentieren, für ihn Lobby zu sein und seine Interessen zu schützen. Das ist ein weiterer Irrtum – oder Lüge? – derjenigen, die analysieren, welche Vorteile dieser oder jener Kandidat für Tschechien bewirken könnte. Das Europäische Parlament ist kein gewöhnliches Parlament und die Europäische Kommission keine gewöhnliche Regierung. Einstweilen. Leider. Umso mehr sollte man die Mythen verjagen, die manchmal von Politikern verbreitet werden, damit sie keine eingehendere und angemessenere Debatte über die Zukunft der europäischen Integration führen müssen.“

Unsinniges Gerede | Das Wochenmagazin „Reflex“ hält nichts davon, sich von Putins Warnung, Russland könne seine Öl- und Gasleitungen nach Europa sperren, einschüchtern zu lassen und Selbstversorgung mit Energie anzustreben. Der Ruf danach habe „bislang nur zur Verteuerung geführt. Im Namen der energetischen Selbstversorgung stehen unsere Äcker voller Raps, aus dem wir ungefähr fünf Prozent unseres Öls erzeugen. Ebenso haben wir die Felder mit Solarpanelen, die etwa drei Prozent der Elektrizität generieren. Das Gerede von der Energieselbstversorgung ist in unserem Falle unsinnig. (…) Es liegt im russischen Interesse, uns Öl und Gas zu verkaufen, und unser Interesse ist es, mit Moskau in Frieden Handel zu treiben wie mit jedem anderen Land. Lassen wir uns doch nicht mehr Raps und mehr Solarpanele unter einem neuen Vorwand aufnötigen.“