Kampf und Krampf
Tschechiens Eishockey-Nationalmannschaft zittert sich bei der WM ins Viertelfinale
22. 5. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: ČSLH-Aleš Krecl
Nein, ansehnlich war das nicht, was das Team um Weltstar Jaromír Jágr am Mittwoch vergangener Woche im weißrussischen Minsk gegen das später abgestiegene Italien auf das Eis brachte. Zwar war Tschechien dem Gegner deutlich überlegen, gefällige Offensivaktionen waren trotzdem Mangelware. Und so suchte Teamleader Jágr, Torschütze zum beruhigenden 2:0 in der 56. Minute, nach dem Spiel auch nicht nach Ausreden: „Wir haben gewonnen, das ist auch schon alles. Die nächsten Spiele werden noch härter.“ Er sollte recht behalten.
Als wollte die Mannschaft all ihren Kritikern bewusst Wasser auf die Mühlen gießen, machten sie mit ihren bedenklichen Leistungsschwankungen dort weiter, wo sie zuvor aufgehört hatten. Es fehlte an Konstanz und seltsamerweise an einem abgebrühten Sturm, obwohl dieser mit zahlreichen prominenten Klasseleuten besetzt ist. Gegen Italien blieb es beim mageren 2:0. Am Samstag darauf folgte dann der vermeintliche Supergau.
Gegen Eishockey-Zwerg Dänemark verlor die Equipe von Trainer Vladimír Růžička mit 3:4. Zwar gab es dieses Mal einen plausiblen Grund für den energielosen Auftritt, trotzdem ist die erste Niederlage gegen diesen Gegner in der Verbandsgeschichte eine Schmach. Das Problem bei den tschechischen Cracks war weniger der aufsässige Gegner als ein perfider Magen-Darm-Virus. Dieser legte bereits vor dem Spiel die halbe Mannschaft flach, das Team ging buchstäblich auf dem Zahnfleisch. Für einmal geriet der Teamarzt in den Fokus der Medien. „Das Problem ist, dass die Spieler eigentlich kaum Nahrung zu sich nehmen können“, so Tomáš Vyskočil.
Ungenutzte Chancen
Und wieder war es Altstar Jágr, der zur 3:4-Niederlage gegen die Skandinavier eine treffende, wenn auch als Allerweltsweisheit geltende Analyse von sich gab. „Es gibt heutzutage keine leichten Gegner mehr. Die können alle gut Schlittschuh laufen und vor allem verteidigen.“ Am bittersten war für Růžičkas Mannen der Spielverlauf. Man führte nämlich bis zur 56. Minute mit 3:1, ehe man bis zur Schluss-Sirene noch zwei Treffer kassierte. Im Penaltyschießen zog man dann den Kürzeren. Nur gut, dass man bei einer Eishockey-WM solche Fehltritte schnell wieder ausbügeln kann.
Bereits einen Tag später stand dem Team mit Norwegen ein weiterer Außenseiter gegenüber, den man mit dem Fußball-Resultat von 1:0 zu besiegen vermochte. Auch das war kein Schaulaufen. Das entscheidende Tor war ausgerechnet eine Kombination zweier zuvor am Virus Erkrankter. Vladimír Sobotka, Stürmer der St. Louis Blues, verwertete schon in der ersten Minute ein Zuspiel von Jungstar Tomáš Hertl. Das war es dann auch schon mit der tschechischen Herrlichkeit. Danach folgten 59 Minuten Krampf und Kampf.
Ob die Tschechen nun das Viertelfinale erreichen würden, war bis vergangenen Montag noch unklar. Sicherheit darüber verschaffte erst der 6:2-Sieg Frankreichs gegen Dänemark. Die Überraschungsmannschaft der Grande Nation zog in der Gruppe A mit dem viertplatzierten Tschechien gleich. Die Slowakei, Norwegen, Dänemark und Italien folgten auf den Plätzen fünf bis acht. Sie konnten die tschechische Mannschaft nicht mehr vom Viertelfinalplatz verdrängen.
Am Dienstagabend kam es dann zum Direktduell gegen die Franzosen um Gruppenrang drei. Ein Sieg musste her, wollte man im Viertelfinale dem Ersten der Gruppe B entgehen. Dieser heißt nämlich Russland und spielte in der Vorrunde alle Gegner an die Wand. Noch vor einem Jahr hätte hierzulande niemand ernsthaft daran gezweifelt, dass diese Aufgabe vom Nationalteam ohne erhöhten Aufwand gemeistert werden würde. Das gilt allerdings nicht für die aktuelle Mannschaft. Zwar spielte man phasenweise wieder wie zu besten Zeiten, doch auch dieses Mal mangelte es an einer optimalen Chancenauswertung.
Das Auf und Ab der ganzen Vorrunde spiegelte sich in dem 4:4 gegen Frankreich nach regulärer Spielzeit wider. In der Overtime erlöste dann Jan Kolář sein Team. Der Siegtreffer zum 5:4 brachte die USA als Viertelfinalgegner. Können sich die Tschechen am Donnerstag nicht deutlich steigern, werden sie wohl die Heimreise antreten müssen. Und Jaromír Jágr kann sich seine lapidaren Spielanalysen sparen.
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