Blick in die Presse
Tschechische Pressekommentare zur Europawahl und zum Mindestlohn in Tschechien
28. 5. 2014 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach; Bild: APZ
Eiserne Regeln | Die „Lidové noviny“ meint zum Ausgang der Wahlen zum Europäischen Parlament in Tschechien: „Erneut wurden zwei eiserne Regeln tschechischer Wahlen bestätigt. Die erste sagt: Bislang war das Ergebnis stets anders, als alle erwarteten. Und die zweite fügt hinzu: Der Favorit der Umfragen bekommt immer deutlich weniger Stimmen, als er erhoffte. Aus Sicht der heimischen Politik ist das Wahlergebnis gut. Es wirft das Kräfteverhältnis der Koalition nicht durcheinander, die nun zudem weiß, dass ihr die Opposition im Nacken sitzt.“
Vergebliche Hoffnung | Die Tageszeitung „Právo“ erkennt im relativen Erfolg der Bewegung von Andrej Babiš „eine gewisse Logik. Die findet man in der fortdauernden Hoffnung, dass gerade ANO die beste Medizin gegen alle gesellschaftlichen Gebrechen ist. Dieses Gefühl wirkte sich auch auf die Umfragen vor den Wahlen aus, in denen die Leute sagten, dass Babiš’s Vertreter fähig seien, im Rahmen des Europäischen Parlaments am meisten auszurichten. Eine tatsächliche Grundlage gibt es dafür nicht, denn die Fraktion, zu der sich ANO gesellt, blieb im Rahmen des EP auf dem dritten Platz, weit abgeschlagen von den stärksten – der Volkspartei und den Sozialisten.“
Starker Trend | Die „MF Dnes“ sucht nach Gründen für die überaus niedrige Wahlbeteiligung: „Im Unterschied zu den letzten Wahlen zum EP lockte jetzt nicht einmal die Möglichkeit, der gerade an der Macht befindlichen Regierung ein Zwischenzeugnis auszustellen. Das Kabinett von Sobotka ist nicht einmal vier Monate im Amt und schaffte es noch nicht, sich zu blamieren.“ Ferner spiele eine Rolle, „dass sich nach zehn Jahren der Mitgliedschaft die Identifikation der Tschechen mit der EU paradoxerweise abschwächt und umgekehrt die Skepsis verstärkt. Und weil es um einen starken Trend in ganz Europa geht, kann man bei uns davon reden, dass das Konzept der heutigen Union selber verloren hat.“
Politische Zwerge | Das Wochenmagazin „Týden“ kommentiert die Ankündigung der Piratenpartei und der Grünen, gemäß dem deutschen Vorbild nun das tschechische Verfassungsgericht mit der Frage der Fünfprozentklausel zu befassen, denn ohne diese wären sie mit ihren Ergebnissen ins Parlament gelangt. Bloß stelle sich „jetzt die Frage, warum die beiden politischen Zwerge die Verfassungsbeschwerde erst jetzt hervorziehen, nachdem die Wahlen vorbei sind. Vor den Wahlen haben sie sich nicht beschwert, jedenfalls nicht vernehmlich, nun fuchteln sie mit der Beschwerde, statt das Ergebnis zu respektieren.“
Strittige These | Das Wirtschaftsblatt „Ekonom“ kritisiert den in Tschechien geltenden Mindestlohn als zu niedrig bemessen. Im Rahmen der EU nehme Tschechien mit einem Mindestlohn von nur 34,4 Prozent des Durchschnittslohns die letzte Stelle ein. „Ein sozial nicht hinnehmbares Niveau des Mindestlohns führt dazu, dass es für Arbeitgeber schwierig ist, für wenig qualifizierte Arbeit Interessenten zu finden, die für 8.500 Kronen monatlich zu arbeiten bereit wären. Für einige Arbeitslose ist es womöglich vorteilhafter, beschäftigungslos auf Kosten des Staates zu sein (…). Als Folge davon muss der Staat seine Ausgaben für Sozialhilfe erhöhen.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“