Leistungsträger im Leistungstief
Die tschechischen Bundesliga-Spieler eignen sich derzeit kaum für einen Neuaufbau der Nationalelf
11. 6. 2014 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: ČTK/Kateřina Šulová
Tschechien fehlt, wenn am Donnerstag die WM in Brasilien angepfiffen wird. Warum der kleine Staat mit großer Fußball-Tradition dort in den nächsten Wochen nicht dabei ist, erklärt sich besonders durch seine Spieler in der Bundesliga.
Beispiel Petr Jiráček: Fotos aus tschechischen Sportmedien begleiteten den kampfstarken Mittelfeldspieler, als er im Januar 2012 von Viktoria Pilsen zum VfL Wolfsburg wechselte. Sie zeigten ihn in direkten Duellen mit den Superstars Lionel Messi und Zlatan Ibrahimovic. Jiráčeks starke Auftritte in der Champions League gegen den FC Barcelona und AC Mailand hatten das Interesse der „Wölfe“ geweckt. „Vielleicht mache ich Jiráček zum neuen Pavel Nedvěd“, zeigte Wolfsburgs Trainer Felix Magath im Interview mit der „Prager Zeitung“ zu Jahresbeginn 2012 noch großen Optimismus.
Zwar äußerte der Erfolgstrainer diese Prognose nicht ganz frei von Ironie, trotzdem vermuteten auch einheimische Experten, dass sich unter allen Tschechen gerade der dynamische Jiráček in der Bundesliga durchsetzen würde. Doch schon im Sommer 2012 wechselte er von Wolfsburg zum Hamburger SV. Jetzt, zum Abschluss dieser Saison, steht der 28-Jährige am Tiefpunkt seiner Karriere. Selbst bei Fast-Absteiger HSV war Jiráček in der abgelaufenen Spielzeit meist Reservist, lediglich in zehn seiner 21 Spiele stand er bei Anpfiff auf dem Spielfeld.
Selbst seine auffälligen Leistungen während der EM 2012 hatten Jiráček keinen Stammplatz in Wolfsburg verschafft. Während er nach dem Turnier vom HSV verpflichtet wurde, versuchte es Wolfsburg mit einem anderen Tschechen: Václav Pilař galt nach der EM als größtes Talent Tschechiens, fiel nach einer schweren Knieverletzung jedoch über Monate aus.
Dies hinderte Europa-League-Starter SC Freiburg nicht daran, den 1,70 Meter großen Wirbler auf dem linken Flügel im letzten Sommer auszuleihen. „Solch einen Spieler bekommen wir nicht, wenn er keine Verletzung hat“, erklärte Freiburgs Trainer Christian Streich gegenüber der „Prager Zeitung“ im September 2013, „er würde sonst nicht nach Freiburg gehen, weil er so viel Qualität hat.“ Streich verhehlte nicht, dass seine Erinnerung an Pilařs Können bei der EM entscheidend für die Ausleihe war. Doch auch in der abgelaufenen Saison kam der 25-Jährige nicht auf die Beine. Pilař absolvierte gerade mal sechs Spiele für die Breisgauer, die ihn nun zurück nach Wolfsburg schickten.
Jiráček und Pilař – derzeit alles andere als Hoffnungsträger für den neuen Nationaltrainer Pavel Vrba. Und bei Weitem nicht die einzigen Tschechen, die 2013/2014 eine desolate Spielzeit in der Bundesliga erlebten. Besonders extrem erwischte es die drei Tschechen beim 1. FC Nürnberg. Der ehemalige Rekordmeister mutierte zum Rekord-Absteiger und ging zum achten Mal den harten Weg in die Zweitklassigkeit.
„Ich habe noch ein Jahr Vertrag in Nürnberg“, sagte Tomáš Pekhart (25) vor wenigen Tagen in Prag zu seiner Zukunft gegenüber der „Prager Zeitung“. Der Stürmer hofft dennoch auf ein tolles Angebot, obwohl er hinter Ginczek und Drmić zuletzt nur noch Stürmer Nummer drei war und in 23 Spielen (nur sechs von Beginn an) nur ein einziges Tor erzielte. Der „Club“ würde Pekhart keine Steine in den Weg legen.
Adam Hloušek (25) kämpfte sich nach seinem langwierigen Kreuzbandriss grandios zurück und kam noch auf 28 Saisonspiele mit drei Toren und zwei Vorlagen, ging aber am Ende mit dem „Club“ unter und versucht in der neuen Saison sein Glück beim VfB Stuttgart.
In Nürnberg bleibt wohl Ondřej Petrák, der im Winter von Slavia Prag gekommen war und einen Vertrag bis 2017 unterschrieben hatte. Anfangs fehlte der tschechische U-21-Nationalspieler mehrere Wochen wegen eines Nasenbeinbruchs und einer Verletzung im Sprunggelenk. Petrák stabilisierte die Nürnberger Defensive nur in elf Partien – zu wenig im Kampf um den Klassenerhalt.
Ein anderer Abwehrspezialist wechselte vom tschechischen Spitzenklub Viktoria Pilsen zu Hannover 96: František Rajtoral (28) galt wegen seiner internationalen Einsätze für die Westböhmen als große Verstärkung. Doch nach nur sieben Spielen haben die Niedersachsen nun keine Verwendung mehr für ihn.
Von Null auf Hundert und wieder zurück – so verlief das erste Bundesligajahr für Václav Kadlec, den Eintracht Frankfurt im August für 3,5 Millionen Euro von Sparta Prag verpflichtet hatte. Der 22-Jährige startete mit drei Toren in den ersten drei Spielen, traf bis Saisonende jedoch nur noch zweimal. Schon Ende November konstatierten die Frankfurter Verantwortlichen, dass der tschechische Stürmer „überspielt“ wirke. In der Winterpause kam Trainer Armin Veh zu dem Ergebnis, dass Kadlec „seinen Körper besser ins Spiel einbringen“ müsse. „Er muss sich weiter an die Bundesliga gewöhnen und verbessern“, so Veh kühl, der in der Rückrunde immer weniger auf Kadlec zurückgriff. So bestritt der junge Tscheche nur 14 seiner 21 Partien von Beginn an.
Problematisch war das Spieljahr auch für zwei andere Tschechen, die Pavel Vrba helfen sollen, wenn er nach der WM eine neue tschechische Nationalelf aufbaut. Verteidiger Theo Gebre Selassie (27) bilanzierte zwar 29 Spiele für Werder Bremen und damit zwei mehr als in seiner ersten Saison. Allerdings steckte er zwischendurch in einem Leistungstief und wurde daher elf Mal nur eingewechselt.
Und Jan Morávek (24) stand gar nur in 16 Spielen auf dem Platz, weil ihn auch in dieser Saison wieder Verletzungen zu mehr oder weniger längeren Pausen zwangen. Wenn er jedoch für den FC Augsburg auflief, war der Mittelfeldspieler häufig ein Dirigent bei den Schwaben.
Würde Tschechien nun bei der WM starten, so könnte Vrba einzig auf Vladimír Darida (23) aus der Bundesliga bauen. Nach zögerlichem Start mit Verletzungen entwickelte sich der 23-Jährige zu einem Leistungsträger und kam noch auf 23 Spiele mit drei Toren und sechs Assists für den SC Freiburg. Darida, mit vier Millionen Euro Ablöse der teuerste Transfer in der Freiburger Vereinsgeschichte, bestätigte am Ende Streichs Einschätzung. „Er ist sehr laufstark, will immer den Ball und beteiligt sich ständig am Spiel“, charakterisierte ihn der Trainer nach seiner Verpflichtung gegenüber der „Prager Zeitung“.
Streichs Kollegen Vrba bleibt derzeit nur die Hoffnung, dass auch die anderen „Bundesliga-Tschechen“ zu Darida aufschließen, wenn im Herbst die Qualifikation für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich beginnt.
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