Spielerisches Testlabor
Das Theater Archa bereichert seit 20 Jahren die alternative Kulturszene der Stadt
11. 6. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Franziska Benkel
„Min Tanaka Tanztheater – Glücksbaum“, „Symposium – Die Rolle der Künstler in der sozialen Interaktion“, „Kafka Band – Das Schloss“. Das sind nur drei von Dutzenden Titeln auf dem Veranstaltungsprogramm des Divadlo Archa (Theater Archa). Sie veranschaulichen die Vielseitigkeit einer Institution, die seit zwei Jahrzehnten ganz eigene kulturelle Wege geht. Die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum im Juni hielten sich in Grenzen, obwohl die Prager stolz sein dürfen auf ein Haus, das in mancherlei Hinsicht Pionierarbeit leistete und auch heute noch oft quer in der städtischen Kulturlandschaft steht.
Ondřej Hrab und Jana Svobodá teilen seit ihrer Jugend in den achtziger Jahren nicht nur die Liebe zueinander, sondern auch die Leidenschaft für das Theater. Ihre Ideen davon jedoch waren weit entfernt von den Konzepten der sozialistischen Kulturpolitik.
Hrab arbeitete im staatlich unterstützten „HaDivadlo“ und musste sich stets den starren Vorschriften beugen. Svobodá zog sich ins frühe Familienglück zurück. Erst nach der Samtenen Revolution war es dem jungen Paar möglich, neue Wege einzuschlagen. „Wir wollten damals nichts mehr mit den traditionellen Theaterinstitutionen, ihren Strukturen und ihrer Ausrichtung zu tun haben“, so Svobodá.
Beide wussten, dass Prag seit den sechziger Jahren von der internationalen Entwicklung des Theaters abgeschnitten war. So lautete einer ihrer dringendsten Wünsche, die „Lücke, die aus mehr als 25 Jahren Abschottung entstand, schnell zu schließen“, wie Hrab verrät.
Die beiden gingen auf Reisen, in die USA, die Niederlande, nach Belgien und sehr oft nach Deutschland. Mit vielen Eindrücken und neuen Ideen im Gepäck machten sie sich in ihrer Heimat daran, ein neues, alternatives Theaterhaus aufzubauen. In den Zeiten des postkommunistischen Aufbruchs in den frühen Neunzigern lag Pioniergeist in der Luft. Eine geeignete Lokalität zu finden, war nicht allzu schwierig, und viel Geld benötigte man auch nicht. Was zählte, waren Wille und Einsatzbereitschaft. Das Konzept war schnell erstellt: „Wir wollten ein Theater, das Grenzen zwischen Genres und Stilrichtungen sprengt, eines, das junge Menschen anspricht, berührt, zum Denken anregt“, erklärt Svobodá.
Von Anfang an dabei war auch der japanische Tänzer und Schauspieler Min Tanaka. Am 5. Juni 1994 öffnete das Divadlo Archa erstmals seine Tore. Tanaka tanzte, John Cale begleitete ihn musikalisch. Diesem ersten Paukenschlag folgten in 20 Jahren mehr als 3.500 Bühnenveranstaltungen. Rund eine dreiviertel Million Besucher konnte das Kulturhaus seither begrüßen. Dabei beschränkten sich die Veranstaltungen schnell nicht mehr nur auf Theater. Diskussionsforen, Lesungen, Konzerte und vieles mehr machten das Divadlo Archa zu einer international anerkannten Bühne. In Prag wurde man zunehmend als ernstzunehmender Gegenentwurf zu den etablierten staatlichen Theaterhäusern wahrgenommen und bahnte somit ähnlichen Institutionen wie der „MeetFactory“, „La Fabrika“ oder dem Theater Ponec den Weg.
Begegnungen mit dem Werk von weltweit führenden Regisseuren und Choreografen wie Robert Wilson oder Tadeusz Kantor beförderten bei Hrab und Svobodá zudem die Idee, ein interaktives, sozial engagiertes und politisches Theater zu begründen. Neben Auftritten internationaler Ensembles bemühten sie sich stets, auch kleine Stücke von einheimischen Nachwuchskräften in das Programm aufzunehmen. Damit entstand das „Archa.lab“, eine Plattform für die unkonventionelle Bühne, die gleichzeitig wie ein alternatives Forschungsinstitut sein sollte.
Ihrem Anspruch, unkonventionelle moderne Kunst und die Auseinandersetzung mit dieser zu fördern, blieben Hrab und Svobodá treu. Sie zeichnen, unterstützt von einem engagierten Team, auch heute noch für zahlreiche Produktionen verantwortlich. Als nächster Höhepunkt steht eine Zusammenarbeit mit dem Partnerhaus „Hellerau“ in Dresden an. Am 20. Juni sowie am 11. Juli kann der Tanztheaterfreund vor dem Divadlo Archa einen Reisebus Richtung Sachsen besteigen, um in Dresden die Künste des gemeinsam engagierten Ensembles „Peeping Tom“ aus Belgien und des britischen Tänzers Akram Khan zu bestaunen. Die internationale Ausrichtung und Vernetzung ist zum Markenzeichen des Hauses geworden. Die Lücke, von der Hrab sprach, scheint sich geschlossen zu haben.
Mehr zum Programm des Divadlo Archa unter www.archatheatre.cz
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