Lobbyarbeit kurz vorm Abschied
US-Außenministerin Hillary Clinton in Prag: Hauptthema Temelín
5. 12. 2012 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: čtk
Afghanistan und vor allem der Konflikt in Syrien – das sind die bestimmenden Themen der internationalen Politagenda. Und natürlich war bei Hillary Clintons wahrscheinlich letztem Prag-Besuch als US-Außenministerin am vergangenen Dienstag auch davon die Rede. Aber ein Thema war wichtiger und es schien auch der Hauptgrund für den Blitzbesuch in Tschechiens Hauptstadt gewesen zu sein: der Ausbau des Atomkraftwerks Temelín.
Der Ausbau des dritten und vierten Blocks des südböhmischen Meilers ist mit einer Investitionssumme von bis zu 12 Milliarden Euro eines der größten Bauprojekte in der tschechischen Geschichte. Zwei Unternehmen sind noch im Rennen für diesen lukrativen Auftrag: der amerikanisch-japanische Konzern Westinghouse und das tschechisch-russische Konsortium MIR.1200. Das französische Unternehmen Areva war aus der Ausschreibung ausgeschlossen worden und ist in Berufung gegangen.
„Tschechien als Nummer 1“
Die US-Außenministerin machte aus dem Zweck ihrer Prager Mission keinen Hehl: „Wir schämen uns überhaupt nicht dafür, dass wir in Bezug auf Temelín für Westinghouse Lobbyarbeit betreiben, denn wir sind der Überzeugung, dass gerade dieses Unternehmen das beste Projekt hinsichtlich Technologie und Sicherheit bietet. Die USA haben Interesse an einer Investition, die sowohl für die amerikanische als auch für die tschechische Seite von Vorteil ist“, so Clinton nach dem Treffen mit ihrem tschechischen Amtskollegen Karel Schwarzenberg (TOP 09).
Gerade das Maß der Beteiligung heimischer Firmen ist für die tschechische Seite maßgeblich bei der Vergabe des Milliardenauftrags. Zwar betont man in Prag gebetsmühlenartig, dass das Auswahlverfahren transparent sei und das beste Angebot gewinnen werde, doch was Wirtschaftsminister Martin Kuba (ODS) nach seinem kürzlichen Russland-Besuch verlauten ließ, dürfte viel eher dem vorherrschenden Prager Meinungsbild entsprechen: „Ich sage es allen: Eines der Hauptkriterien wird der Anteil tschechischer Firmen bei den Zulieferern sein.“ Und gerade damit argumentieren die Befürworter einer russischen Beteiligung an dem Projekt, zu denen wohl auch der als russlandfreundlich geltende Staatspräsident Václav Klaus gezählt werden kann – dieser hatte zu einem früheren Zeitpunkt gesagt, das russische Angebot biete die größten Möglichkeiten einer tschechischen Beteiligung.
Es verwundert daher nicht, dass Clinton explizit die Schaffung neuer tschechischer Arbeitsplätze als Argument ins Feld führte und auch sonst ausnehmend warme Worte für den Partner Tschechien fand. „Tschechien ist die Nummer eins in Mitteleuropa was die Durchsetzung einer sicheren Kernenergie betrifft“, so das aus der Sicht der mitteleuropäischen Nachbarländer Tschechiens eher zweifelhafte Lob der Außenministerin. Des Weiteren kündigte Clinton an, dass in Prag ein gemeinsames amerikanisch-tschechisches Forschungszentrum zur zivilen Nutzung der Atomkraft entstehen solle. Dieses solle der Prager Technischen Universität angegliedert sein und als eine Art „Kontaktbörse“ zwischen tschechischen und amerikanischen Wissenschaftlern funktionieren, konkretisierte Tschechiens Regierungschef Petr Nečas (ODS).
Zum Abschluss ihres Kurzbesuchs überreichte Außenminister Schwarzenberg der scheidenden US-Außenministerin ein gerahmtes Foto, das das Ehepaar Clinton im Gespräch mit dem verstorbenen Ex-Präsidenten Václav Havel zeigt. Sichtlich gerührt nahm Clinton das Geschenk entgegen. Es war der emotionale Schlusspunkt eines Staatsbesuchs, der in weiten Teilen eher wie eine Promo-Tour für ein großes amerikanisches Unternehmen wirkte.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“