Scheidungskind Radio Česko
Tschechischer Rundfunk und BBC beenden Zusammenarbeit
5. 12. 2012 - Text: Nancy WaldmannText: Nancy Waldmann; Foto: Florian Plag
Der Tschechische Rundfunk (ČRo) sitzt in einem Gebäudekoloss mit langen verwinkelten Gängen im Innern. Wenn der Sender Radio Česko, sesshaft im dritten Stock, auf seinen Plakaten verkündet „Wir gucken um die Ecke“, ist das eine durchaus beruhigende Nachricht. Radio Česko, in Prag auf 101,1 FM, sendet täglich von 8 bis 11 Uhr und von 13 bis 16 Uhr Nachrichten, Analysen, Diskussionen und Reportagen. Ende Februar aber ist Schluss. Der einzige Wortsender Tschechiens auf Ultrakurzwelle mit den forschen Werbesprüchen wird schließen. Er ist das Kind einer Ehe zwischen ČRo und BBC. Doch die ist angeblich illegal. So hat es der Rundfunkrat im Juli entschieden.
Radio Česko sendet seit Herbst 2006 auf zwölf UKW-Frequenzen, die zur BBC gehören und vor allem in Tschechiens Ballungsräumen zu empfangen sind. Außerhalb der Sendezeiten von Radio Česko strahlt die BBC ihr englischsprachiges Programm aus. Seine tschechische Redaktion hatte die BBC bereits 2006 aus finanziellen Gründen geschlossen. Damals lautete die staatliche Auflage für die BBC, es müssen mindestens sechs Stunden Programm auf Tschechisch gesendet werden, um die Sendelizenz zu behalten. So kam es zur Kooperation mit dem Tschechischen Rundfunk. BBC gibt die Frequenz, ČRo produziert und bezahlt das Programm, das der neu gegründete Wortsender Radio Česko lieferte. Weil BBC in diesem Jahr erneut sparen und der ČRo mehr UKW-Sendezeit wollte, traf man eine neue Vereinbarung. Radio Česko sollte zukünftig nicht nur sechs, sondern 18 Stunden täglich senden – eine Win-Win-Situation. Doch der Rundfunkrat erklärte, die Vereinbarung verstoße gegen das Rundfunkgesetz, aus zwei Gründen: Die BBC agiere in Tschechien als private Sendeanstalt, die Inhalte einer öffentlich-rechtlichen Anstalt nicht übernehmen dürfe. Zudem beschränkt eine neuere Regelung im Rundfunkgesetz, dass nur drei landesweite UKW-Frequenzen von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt belegt sein dürften. Die Frequenz, auf der Radio Česko sende, sei die vierte.
Wortsender fusionieren, BBC sucht neuen Partner
Václav Sochor, dem Chefredakteur von Radio Česko, ist anzumerken, dass er nicht nur traurig, sondern auch ärgerlich über den Lauf der Dinge ist. Für sich selbst, für seine Redaktion, der 19 festangestellte und 60 feste freie Mitarbeiter angehören, und für die Hörer, zu denen allmählich durchsickert, was schon seit Monaten feststeht. „Ich glaube, wir können das selbstbewusst sagen: Wir haben vor sechs Jahren als Amateure begonnen, jetzt sind wir Profis“, sagt Sochor gegenüber der „Prager Zeitung“. 90 Prozent der Beiträge werden live gesendet, was in der durchgenormten Radiolandschaft selten geworden ist. Das Publikum von Radio Česko ist jung und gebildet, viele Politiker und Geschäftsleute hören es. Die Hörerzahl sei stetig gestiegen, laut Sochor sind es momentan 77.000. Die mit 22 Millionen Kronen (etwa 870.000 Euro) eher spärlich ausgestattete Redaktion habe gute Werbeeinnahmen erwirtschaftet.
Dennoch kommen alternative Lösungen, um Radio Česko weiterzuführen, beispielsweise als Digitalradio, für den ČRo nicht in Frage. Das berichtete das Internetportal „mediar.cz“ bereits kurz nach der Entscheidung des Rundfunkrats. Der Tschechische Rundfunk, mitten in einer Umstrukturierung, will das gesamte Wortsenderangebot umbauen. So werden auch ČRo 6 sowie der digitale Wissenskanal Leonardo eingestellt. Die drei sollen in einem neuen Wortsender zusammengeführt werden, in den man viel Geld investiert. „60 Millionen Kronen im Jahr“, sagt Ondřej Nováček, Chef des Sendezentrums im ČRo. Ab 1. März 2013 soll er täglich von 16 bis 24 Uhr senden. „Wir überlegen, ob der neue Kanal Radio Plus oder Český rozhlas Plus heißen soll“, sagt Nováček. Fest steht, dass der Nachfolgesender nur den Nachrichtenbereich von Radio Česko übernehmen wird, in den übrigen Formaten orientiert er sich vor allem an ČRo 6, das ein älteres Publikum bedient. Vor allem aber wird „Plus“ nur über die weniger populäre Mittelwelle zu empfangen sein.
Auch für die BBC in Tschechien ist der 28. Februar eine Deadline. Bis dahin muss sie einen neuen Partner finden, der auf ihrer UKW-Welle das tschechische Programm produziert. Andernfalls könnte es mit englischem BBC-Sendungen auf UKW in Tschechien bald vorbei sein. „Daran denke ich gar nicht“, sagt Vít Kolař, der die BBC in Prag vertritt. „Wir verhandeln momentan mit mehreren privaten Anstalten und wir finden ganz sicher eine Lösung.“ Die Sendelizenzen seien jedenfalls bis 2025 an die BBC vergeben, so Kolař.
Sollte die BBC ihr Engagement in Tschechien eines Tages aufgeben, würden die UKW-Frequenzen neu vergeben. Und an attraktiven Sendekanälen ist auch der ČRo interessiert. Laut Nováček will seine Anstalt auf eine Änderung des Gesetzes hinwirken, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf nur drei UKW-Netze beschränkt.
„Online-Medien sind Pioniere“
Kinderwunsch nicht nur zu Weihnachten