Schreiben für eine bessere Welt
Zum Tod des Schriftstellers Jan Trefulka (1929–2012)
5. 12. 2012 - Text: Volker StrebelText: Volker Strebel; Foto: slovnikceskeliteratury.cz
„Jan Trefulka gehört zu jener außergewöhnlichen Generation, zu der man auch Milan Kundera, Ludvík Vaculík oder Arnošt Lustig zählen kann. Autoren, die das Schreiben als eine Mission ansahen, als einen Modus, über den Zustand der Welt zu berichten.“ Für Miroslav Balaštík, Chefredakteur der Literaturzeitschrift „Host“, ist Trefulka nicht nur Erfinder großer Geschichten gewesen. Ihm ging es vor allem darum, seine Zeitgenossen aufzuwecken und sich für eine bessere Gesellschaft zu engagieren.
Jan Trefulka wurde 1929 in Brünn geboren. Nach dem Abitur studierte er Literaturwissenschaft und Ästhetik an der Karls-Universität in Prag. Bereits in den späten vierziger Jahren geriet er in Konflikt mit den Machthabern seines Landes. Die offene und zugleich verschmitzte Art des Literaten, Widersprüche zwischen proklamierter Absicht und prosaischer Wirklichkeit anzusprechen, hatte der kommunistischen Führung nicht zugesagt. Infolge seines Parteiausschlusses 1950 musste Trefulka sein Studium aufgeben. Seinen Lebensunterhalt bestritt er in dieser Zeit als Hilfsarbeiter und Traktorist.
In den sechziger Jahren arbeitete Trefulka für die Literaturzeitschrift „Host do domu“(„Gast ins Haus“), die er später als Chefredakteur betreute. In jenen Jahren zaghafter Reformversuche seitens der führenden Kommunistischen Partei gelang es Trefulka, die Literaturzeitschrift zu einem bemerkenswerten Aushängeschild kritischen Denkens und hochwertiger Literatur zu gestalten. Auch seine eigenen Erzählungen und Romane zeichnen sich dadurch aus, dass sie menschliche Schwächen oft auf humorvolle Weise darstellen und ideologische Vorgaben über ein „sozialistisches Menschenbild“ mit feiner Ironie aufs Korn nehmen.
Wunde Punkte im Visier
Ab den siebziger Jahren wurde Trefulka mit einem Publikationsverbot belegt. Seine Bücher erschienen fortan im Samizdat oder im Ausland. 1977 unterschrieb er, wie die meisten seiner engen Schriftstellerfreunde – wie zum Beispiel Václav Havel, Ivan Klíma, Pavel Kohout oder Ludvík Vaculík – das Manifest der Bürgerrechtsbewegung Charta 77. Kein lärmender Aktivist, suchte Trefulka eher die gesellige Runde mit guten Freunden denn die öffentliche Aufmerksamkeit. In Deutschland hatte Trefulka bei Kennern der tschechischen Literatur mit seinen Romanen „Der verliebte Narr“(1979) oder „Unbesiegbare Verlierer“(1988) Erfolg.
In der Tschechoslowakei konnten seine Bücher erst nach der Samtenen Revolution im Herbst 1989 wieder veröffentlicht werden. Er wusste dies nach 20-jähriger Pause auferlegten Schweigens zu schätzen. Unermüdlich brachte er sich fortan in die öffentlichen Diskussionen ein, übernahm 1991–1995 Verantwortung als Vorsitzender der Gemeinde der mährisch-schlesischen Schriftsteller (Obec moravskoslezských spisovatelù) und organisierte einen gleichnamigen Schriftstellerpreis.
Trefulkas Stellungnahmen zu politischen Vorgängen sowie zu Fragen deutsch-tschechischer Nachbarschaft zeichneten sich durch ihre begriffliche Schärfe aus, die ohne Umschweife neuralgische Punkte im gegenseitigen Verständnis zu benennen vermochte. Dabei war es ihm nie um polternde Provokationen gegangen, sondern um ein gegenseitiges Verstehen. Als Europäer wusste er, dass eine Zukunft in Würde nur gemeinsam zu erreichen ist.
Bis zuletzt hatte Jan Trefulka aufmerksam die Vorgänge in seinem Land beobachtet und in kritisch-satirischen Feuilletons dazu Stellung bezogen. Am Donnerstag, 22. November erlag Jan Trefulka im Alter von 83 Jahren in Brünn einem Nierenversagen.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?