Auf der Suche nach der anderen Realität
Abstrakte Werke von František Kupka im Salmov-Palast
6. 12. 2012 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: NG
„Das schöpferische Vermögen eines Künstlers manifestiert sich nur, wenn es ihm gelingt, die natürlichen Phänomene in eine andere Realität zu übersetzen“, so František Kupka (1871–1957) über sein Ringen, mit künstlerischen Mitteln die Welt einzufangen. Der Tscheche gehört mit seinem Werk zu den Vätern der abstrakten Malerei. Neben Künstlergrößen wie Wassily Kandinsky und Kasimir Malewitsch wird sein Name als Begründer der gegenstandslosen Malerei jedoch oft unterschlagen. Dabei schuf er mit seinem Gemälde „Amorpha, Fuge in zwei Farben“ eines der ersten abstrakten Bilder überhaupt.
Kupkas Weg zur Abstraktion zeichnet nun eine Ausstellung im Salmov-Palast auf der Prager Burg nach. „Der Weg zu Amorpha“ („Cesta k Amorfě“) heißt die Exposition; sie zeigt Werke, die Kupka im Pariser „Salon des Indépendants“ bis 1913 ausstellte. Die Bilder sollen die Reise des Malers hin zur nicht-figürlichen Malerei illustrieren und dessen Auseinandersetzung mit Formproblemen veranschaulichen.
Der Geist des Kosmos
1871 im ostböhmischen Opočno geboren, beginnt Kupka seine Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in Prag, später setzt er sie in Wien fort. Mit 24 Jahren zieht er nach Paris, damals Zentrum der europäischen Kunstszene. Hier schlägt er sich zunächst als Karikaturist, Plakatmaler und Buchillustrator durch. Um die Jahrhundertwende vollzieht sich eine entscheidende Zäsur in Kupkas Schaffen. Indem er das Ornament des Jugendstils als eigenständiges Formelement begreift, beginnt sich Kupka von den gegebenen Naturformen zu lösen. Für ihn ist das Ornament nicht bloßer Schmuck sondern ein Symbol für die ideale rhythmische Ordnung der Welt. Dies ist der Anfang seines Weges in die Abstraktion. Dabei versteht Kupka Kunst als eine Annäherung an das kosmische Gesetz – an jenes Ur-Prinzip, das die Welt im Innersten zusammenhält. Kunst, will sie Bedeutung haben, darf nicht der visuellen Realität entstammen. Vielmehr muss ein Künstler die Struktur der Welt durch Abstraktion erspüren, um ihr Realität verleihen zu können. Es ist der Geist des Kosmos, der in den Bildern materielle Gestalt annimmt.
Um 1910 lernt er die sogenannte Puteaux-Gruppe kennen, eine lose Künstlervereinigung, der unter anderem auch Fernand Léger und Marcel Duchamp angehörten. Gemeinsam diskutierte man in dem Kreis über aktuelle Formprobleme in der Malerei – beispielsweise, wie sich Bewegung oder Musik in Malerei überführen lässt. Mit einer Ausstellung völlig abstrakter Bilder im „Salon d’Automne“ erregte Kupka 1912 großes Aufsehen. Sein Gemälde „Amorpha, Fuge in zwei Farben“ zählt zu den ersten rein abstrakten Werken, die in Paris ausgestellt wurden. Es löste unter Kunstkritikern eine hitzige Debatte über Wert und Möglichkeiten der Malerei aus – zugleich gab es der nachfolgenden Maler-Generation entscheidende Impulse.
Zeit seines Lebens blieb Kupkas Kunst überwiegend verkannt. Als Symbolist, Kubist oder Maler des Jugendstils wurde er abgestempelt – obwohl er sich stets der Einordnung in Schubfächer verwehrte. Erst in den dreißiger Jahren wurde sein Werk wieder entdeckt und mit ihm die Bedeutung Kupkas für die Entwicklung der abstrakten Malerei. Heute zählen seine Bilder zu den begehrtesten auf dem Kunstmarkt. Erst im Juli ging seine „Form in Blau“ („Tvar modré“) für rund 56 Millionen Kronen (2,2 Millionen Euro) über den Auktionstisch. Noch nie zuvor hatte ein tschechisches Kunstwerk eine solch hohe Summe erzielt.
„František Kupka: Cesta k Amorfě“, Salmovský palác (Hradčanské náměstí, Prag 1), geöffnet: Di., Do., Fr., So. 10–18 Uhr, Mi./Sa. 10–20 Uhr, Eintritt: 150 CZK (ermäßigt 80 CZK), bis 30. März 2013
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