Mieze macht Ferien
Endlich Urlaub – aber wohin mit dem Kater? Diese Frage hat sich auch Lucie Průšová Herejková vor ein paar Jahren gestellt. Dann eröffnete sie ein Hotel für Katzen
20. 8. 2014 - Text: Corinna AntonText und Foto: Corinna Anton
Im Treppenhaus erklingt eine Stimme. Schritte. Wie auf Knopfdruck spitzen alle Hotelgäste gleichzeitig die Ohren. Die Neugierigen schleichen sich vorsichtig zur Tür, die Ängstlichen beziehen Position in sicherer Lage. Das Hotel befindet sich in einem Wohnhaus im Prager Stadtteil Kobylisy. Es besteht aus zwei gefliesten Kellerräumen, die Gäste haben vier Pfoten und weiches Fell.
„Mazlíček“ steht an der Klingel, was so viel heißt wie „Schmusekatze“. Lucie Průšová Herejková eilt zur Tür. Sie ist studierte Ökonomin und Katerbesitzerin, seit 2002 betreibt sie das Hotel für Katzen. „Ich wusste damals nicht, wo ich meinen Kater unterbringen sollte, in Prag gab es noch kein solches Hotel.“ Heute bieten neben zahlreichen Hunde- und Katzensittern auch mehrere „Hotels“ an, Haustiere für ein paar Wochen zu betreuen.
Lucie öffnet Miroslava, einer jungen Frau, die mit zwei Katzenkörben und einer ebenso großen Einkaufstüte bepackt ist. Die Hotelgäste, die schon länger hier sind, beschnuppern das Gepäck der Neuankömmlinge, während diese ihre „Zimmer“ beziehen. Für jede Katze gibt es eine Box, die etwa einen Kubikmeter groß ist. Darin stehen ein Katzenklo und ein Korb zum Schlafen, außerdem eine weitere Sitzgelegenheit sowie zwei Näpfe mit Wasser und Trockenfutter.
Die beiden neuen Gäste kennen sich, deswegen hat Lucie für sie ein Doppelzimmer vorbereitet, zwei Boxen, die mit einer Durchgangsklappe verbunden sind. Zum Eingewöhnen bleibt sie aber geschlossen, jeder soll sein eigenes Revier bekommen. Als erster bezieht der schwarze Kater Bambulka sein Quartier. Er war schon mehrmals im Hotel und fühlt sich gleich wohl, legt sich in den Korb. Dem rot-weiß gefleckten Kanafásek fällt es schwerer sich einzugewöhnen. Durch das Gitter faucht er die anderen an und miaut. „Keine Angst, keine Angst“, redet Miroslava auf ihren Kater ein.
Auf Lucies Schreibtisch packt sie die Einkaufstasche aus. Die Katzen werden zwar versorgt, viele Besitzer bestehen aber darauf, ihrem Liebling sein eigenes Futter mitzubringen. Lucie notiert sich Bambulkas Speiseplan: Der Kater bekommt täglich 48 Gramm, die Tiernahrung für seinen empfindlichen Magen hat Miroslava abgewogen und in 14 Tüten gepackt, für jeden Tag eine. Für Kanafásek stellt sie zwei große Tupperdosen voll Trockenfutter auf den Tisch, dazu ein paar Leckerli. „Nooooo, ich komme ja wieder“, wendet sie sich an ihren miauenden Kater und packt weiter aus: Impfpässe und Spielsachen, dazu für jeden Kater ein ungewaschenes T-Shirt, das sie vor Kurzem erst getragen hat: „Damit sie sich wie zuhause fühlen.“
Sensibler Kater
Während die anderen Hotelbewohner nicht vom Futter der Neuen lassen können, bekommt Kanafásek letzte Streicheleinheiten durch das Gitter der Box. Sobald er sich eingewöhnt hat, wird es geöffnet – bei den meisten Tieren dauert das ein bis zwei Tage. „Er ist sehr sensibel“, sagt sein Frauchen und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. „Er braucht viele Streicheleinheiten.“ Lucie verspricht zu schreiben. Den besorgteren Kunden schickt sie fast täglich eine SMS oder E-Mails mit Bildern ihrer Katzen, den Gelasseneren vielleicht einmal pro Woche.
Miroslava wird viele Nachrichten bekommen. Sie ist mittlerweile beim dritten Taschentuch, noch einmal wischt sie sich die Tränen aus dem Gesicht, als sie die Rechnung bezahlt – 140 Kronen pro Tag und Katze abzüglich Rabatte für Stammklienten. Dann schließt sie die Tür. „Das ist wie im Kindergarten“, sagt Lucie. „Wenn die Mütter beim Abschied weinen, dann überträgt sich der Stress auch auf die Kleinen. Aber sobald die Mütter draußen sind, sind die Kinder zufrieden.“
Mit den beiden neuen Gästen ist ihr Hotel voll belegt, es bietet Platz für 14 Katzen und ist besonders zur Hauptreisezeit gefragt. „Manche Stammgäste treffen sich hier im Sommer und an Weihnachten wieder“, erzählt Lucie. Urlaubsbekanntschaften würden daraus aber nicht entstehen: „Es kommt mir so vor, als würden sich die Katzen nicht erkennen. Sie brauchen immer wieder ein bis zwei Tage, um sich aneinander zu gewöhnen.“
Einer der Stammkunden ist Archie. Er sieht eher aus wie ein Luchs und zählt zu den größten Hauskatzen, die es gibt. Wenn er sich aufrichtet, reicht er Lucie fast bis zur Hüfte. „Archie ist sehr freundlich, aber erklären Sie das mal den anderen Katzen“, kommentiert sie seine Größe. Wie viele der vierbeinigen Gäste hat Archie einen englischsprachigen Besitzer. Versteht er Lucie trotzdem? „Ob die Katzen in tschechischen, englischen, französischen oder deutschen Familien leben, spielt keine Rolle“, sagt die Hotelbesitzerin. Allerdings hat sie beobachtet: „Alle Katzen mögen es sehr gerne, wenn man Englisch mit ihnen spricht. Sie reagieren auf die Intonation – und die der englischen Sprache gefällt ihnen besonders.“
Überhaupt sei es wichtig, viel mit den Tieren zu sprechen, weiß Lucie. Aber sie redet nicht nur mit den Katzen und verteilt nach Bedarf Streicheleinheiten. „Morgens haben sie Sport“, beschreibt sie das Tagesprogramm ihrer Gäste. Mit Bändern, Bällen und Gummimäusen läuft sie dann durch den Keller, um die Tiere zur Bewegung zu animieren. „Manche sind sportlich, manche sind faul, ich kann natürlich niemanden zwingen mitzumachen.“
Anschließend machen die meisten ein Nickerchen. 16 bis 18 Stunden schlafen die Katzen am Tag, die älteren noch länger. Während sie tagsüber ihren Schlafplatz frei wählen können – beliebt sind die zwei Fensterbretter, die drei Kratzbäume und der Schreibtisch – ist es nachts wie im Ferienlager: Jeder muss in seinem „Zimmer“ schlafen.
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