„Ein besonderes Verständnis“
Tschechien folgt Israel und votiert gegen UN-Sonderstatus Palästinas
6. 12. 2012 - Text: Marcus HundtText: mh; Foto: vlada.cz
Die UN-Vollversammlung hat Palästina zum Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen aufgewertet: 138 der 193 Staaten folgten vorigen Donnerstag dem Antrag von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Der Status bedeute seinen Worten zufolge einen „wichtigen Schritt auf dem Weg zur palästinensischen Unabhängigkeit“. Tschechien stimmte als einziges Land in Europa gegen die Anerkennung Palästinas und befindet sich damit in überschaubarer Gesellschaft. Lediglich Israel, die USA, Kanada und fünf weltpolitisch unbedeutende Staaten wie Nauru und die Marshall-Inseln hatten den Antrag ebenfalls abgelehnt.
Tschechiens pro-israelische Haltung verwundert nicht. Bei seinem letzten Prag-Besuch im Mai dieses Jahres bezeichnete Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Tschechische Republik als „besten Freund des israelischen Staates in der EU“. Und Tschechiens Premier Petr Nečas machte damals deutlich, „wir haben ein besonderes Verständnis für die Situation Israels – eines kleinen Staates, der von Feinden umringt ist“.
Um sich für das Nein bei der Abstimmung in New York zu bedanken, wird Netanjahu am Mittwoch persönlich nach Prag kommen. Kurz vor seinem Besuch in Berlin, wo er weniger freundlich empfangen werden dürfte. Als Reaktion auf das Votum der UN-Vollversammlung hatte Israel den Bau weiterer Siedlungen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland verkündet. Ein Plan, auf den Berlin „äußerst besorgt“ reagierte. Das Bauvorhaben untergrabe das Vertrauen in Israels Verhandlungsbereitschaft und würde den Friedensprozess im Nahen Osten negativ beeinflussen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Während Großbritannien und Frankreich die Pläne Israels ebenso verurteilen, hält man sich in Prag mit Kritik zurück – und schweigt lieber.
Für Tschechien hätte die eingeschränkte Anerkennung Palästinas durch die UN nur dann einen Sinn ergeben, wenn auch Israel damit einverstanden gewesen wäre. Tschechien sei „überzeugt, dass das gemeinsame Ziel – bei dem der Staat Israel und ein demokratischer (…) Staat Palästina in Frieden und Sicherheit nebeneinander existieren – nur über direkte Verhandlungen erreicht werden kann.“ Alleingänge stellten eine Gefahr für den Friedensprozess und die auch von Tschechien angestrebte Zwei-Staaten-Lösung dar, heißt es in der Stellungnahme des Außenministeriums.
Der Schulterschluss mit Israel beruht auf historischen Gründen. In einem Interview mit der „Jerusalem Post“ erinnerte Nečas an die Situation in den dreißiger Jahren. „Damals hatte die kleine, demokratische Tschechoslowakei Nachbarn, die sie vernichten oder einen Teil ihres Landes besetzen wollten“, zog Nečas Parallelen zwischen dem heutigen Nahostkonflikt und den Ereignissen um das Münchner Abkommen.
Der Generalsekretär des European Jewish Fund, Arie Zuckerman, sieht das Interesse Israels an engeren Beziehungen zu Tschechien in einem sich verschiebenden Mächteverhältnis innerhalb der EU begründet. „Länder wie Tschechien oder Polen gewinnen immer mehr an Einfluss“, meint Zuckerman. Israel erkenne diese Entwicklung und suche die Nähe zu Prag.
Die gegenseitige Verbundenheit geht bis in das Jahr 1948 zurück. Im Ersten Arabisch-Israelischen Krieg, dem israelischen Unabhängigkeitskrieg, missachtete die Tschechoslowakei das von der UN über beide Konfliktparteien verhängte Waffenembargo und versorgte die israelischen Truppen mit militärischer Ausrüstung. Zudem waren an mehreren tschechoslowakischen Stützpunkten israelische Piloten ausgebildet worden, die im Unabhängigkeitskrieg zum Einsatz kamen. Zwar musste sich Prag nach dem Sechstagekrieg im Jahr 1967 dem Diktat Moskaus unterordnen und auf die Seite der Palästinenser stellen. Doch seit der politischen Wende 1989 besinnen sich Tschechien und Israel ihrer alten Freundschaft und demonstrieren Geschlossenheit.
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