Bitter-süßer Genuss

Bitter-süßer Genuss

Das Geschäft mit fair gehandelten Produkten wächst in Tschechien rasant. Derzeit fährt ein „Schokomobil“ durchs Land

27. 8. 2014 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Bild: Make Chocolate Fair

Schokolade macht glücklich. Wenn die süße Mischung aus Kakao und Zucker auf der Zunge zergeht, können viele Menschen Stress und Liebeskummer für eine Weile vergessen – und auch den bitteren Nachgeschmack, der nicht nur die Geschmacksnerven trifft: Wer pflückt die Kakaobohnen und zu welchem Stundenlohn, was verdient ein Bauer an einem Schokoriegel, der nur ein paar Kronen kostet?

Die Organisatoren der europäischen Kampagne „Make Chocolate Fair“ wollen diese Fragen in den Blick rücken. Mit einem „Schokomobil“ sind sie im Juli in Berlin auf eine Reise durch 14 Länder aufgebrochen. Nach mehreren Stationen in Deutschland ist Tschechien das zweite Ziel: Am vergangenen Sonntag waren sie zu Gast in Prag, außerdem werden sie in Olomouc, Ústí nad Labem, Mladá Boleslav und Třebíč Halt machen. Tschechischer Mitorganisator ist die Prager Ökumenische Akademie. Mit Schokobrunnen, Glücksrad und Musik werben die Aktivisten für Schokolade mit dem „Fairtrade“-Logo. Eine Petition, die im Mai kommenden Jahres in Oslo an internationale Vertreter der Süßwarenindustrie übergeben werden soll, haben bereits rund 45.000 Menschen unterzeichnet, wie Sven Selbert, deutscher Koordinator des Projekts, am Dienstag in Prag erklärte.

Für Selbert ist fairer Handel „ein Schritt in die richtige Richtung“. Je mehr Menschen bereit seien, fair gehandelte Produkte zu kaufen, desto besser gehe es den Kakao-Bauern, so die Gleichung, die sich auch mit Kaffee oder Baumwolle aufstellen lässt. Einige Wissenschaftler sehen das anders. Der Ökonom Bruce Wydick beispielsweise bezweifelt, dass sich Armut mit fair gehandeltem Kaffee effektiv bekämpfen lässt. Kritiker beklagen unter anderem die hohen Kosten, die ein Bauer investieren muss, um ein „Fairtrade“-Zertifikat zu erlangen.

Weltweit nimmt der faire Handel dennoch zu, in Tschechien ist er seit 2005 sogar um das 58-Fache gestiegen, im vorigen Jahr wurden hierzulande fair gehandelte Produkte im Wert von 174 Millionen Kronen (etwa 6,3 Millionen Euro) verkauft, mehr als die Hälfte davon war Kaffee. Hana Chorváthová, Leiterin von „Fairtrade“ in Tschechien und der Slowakei, führt den Anstieg auf die veränderte Verkaufsstruktur zurück: „Fair-Trade-Produkte waren ursprünglich nur in spezialisierten Geschäften zu finden, die Bio-Lebensmittel oder gesunde Nahrungsmittel verkauften. Langsam gelangen sie auch in die Supermärkte und die Cafés der großen Ketten.“

Bereits 2004 gab es in Tschechien erste fair gehandelte Lebensmittel. Zwei Jahre später konnte man erstmals vereinzelte Waren in Supermärkten kaufen. Mittlerweile werden fair gehandelte Produkte etwa bei internationalen Ketten wie Kaufland, dm, Starbucks oder Tchibo angeboten. Zu den bekanntesten tschechischen Unternehmen, die sich der Vermarktung von Fair-Trade-Kaffee verschrieben haben, zählt zum Beispiel das Unternehmen Mamacoffee, das 2008 in Prag seine erste Rösterei mit zertifiziertem Kaffee eröffnete.

Seit 2011 gibt es außerdem Fair-Trade-Städte, die sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass sie den fairen Handel offiziell unterstützen. Bisher haben dieses Prädikat Český Krumlov, Hodonín, Litoměřice, Mladá Boleslav, Třebíč, Volyně und Vsetín erlangt, fünf weitere Städte bewerben sich darum. Außerdem dürfen sich neun Schulen und sieben Kirchengemeinden offiziell als „fair“ bezeichnen und in Umfragen geben immer mehr Menschen an, regelmäßig oder gelegentlich fair gehandelte Produkte zu kaufen. Zuletzt waren es insgesamt 34 Prozent.

Im Vergleich mit westeuropäischen Ländern liegt Tschechien allerdings weit hinten. In Österreich beliefen sich die Einzelhandelsumsätze mit fair gehandelten Produkten zuletzt auf mehr als 100 Millionen Euro, in Deutschland auf über 500. Tschechien zählt daher für Andrea Richter von Fairtrade International noch immer zu den „neuen Märkten“. Für die meisten osteuropäischen Länder hat die Organisation überhaupt keine Zahlen vorliegen. Dort ist das Konzept noch weitgehend unbekannt. In der Slowakei soll sich das demnächst ändern. Seit diesem Jahr nennt sich die tschechische Organisation „Fairtrade Česko a Slovensko“ und will künftig auch im Nachbarland den fairen Handel voranbringen.

Fairer Handel
Das Prinzip des fairen Handels ist einfach: Erzeuger sollen für ihre Produkte einen „fairen“ Preis bekommen – doch was ist fair? In der Praxis handelt es sich meist um einen von Fair-Trade-Organisationen festgelegten Mindestpreis, der gewährleisten soll, dass Produzenten auch bei niedrigeren Marktpreisen ein höheres und verlässlicheres Einkommen beziehen als im herkömmlichen Handel. In der Produktion sollen außerdem Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Die bekannteste Organisation, die sich für fairen Handel einsetzt, ist „Fairtrade International“. Sie arbeitet mit 1,4 Millionen Bauern zusammen.