Kommentar: Auf dünnem Eis

Kommentar: Auf dünnem Eis

Sobotkas Ukraine-Politik wirft zunehmend Fragen auf

3. 9. 2014 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: ČSSD

 

Die Ankündigung des Premiers Bohuslav Sobotka, Tschechien werde einer Verschärfung der Sanktionen gegen Russland eventuell nicht zustimmen, lässt aufhorchen. Er ist zwar nicht der einzige EU-Politiker, der Skepsis gegenüber der Sanktionspolitik formuliert. Doch die Art und Weise, wie er in dieser Angelegenheit argumentiert und kommuniziert, wirft Fragen auf.

Sobotka sagt, die Sanktionen hätten nichts gebracht und würden der tschechischen Wirtschaft schaden. Erstere Aussage ist eine sehr voreilige Behauptung. Erfahrungen zeigen, dass Sanktionen eher mittel- und langfristig Wirkung zeigen. Die zweite Aussage ist zwar richtig, doch darf gefragt werden: Wie groß wird der Schaden sein?

Auf jeden Fall kleiner – so sagen seriöse Berechnungen – als beispielsweise für die baltischen Staaten, die am lautesten nach schärferen Sanktionen rufen. Um es deutlich zu sagen: Die 12 Millionen Euro Umsatzverlust für die Lebensmittelbranche, von denen derzeit geredet wird, sind eben der Preis für gewisse Werte und Prinzipien.

Sobotka will eine „diplomatische Lösung“. Konkret: „Verhandlungen zwischen der EU und Russland“. Also ausdrücklich ohne die Ukraine. Die historische Parallele fällt einem sofort auf: „Ohne uns über uns“ lautet in Tschechien bis heute die traumatische Paraphrase für das Münchner Abkommen. Dass gerade ein tschechischer Premier sich auf derart dünnes Eis begibt, ist erstaunlich. Zu Recht bekommt Sobotka diese Aussage von Politik und Presse um die Ohren gehauen.

Es bleibt die Frage: Was sind die Motive Sobotkas? Der Mann, von dem gewitzelt wird, er habe das Charisma einer Klarsichthülle, ist bisher nicht als Kreml-Freund in Erscheinung getreten. Zwar gibt es in seiner Partei Putin-Bewunderer, aber sie gelten eher als Sobotkas Rivalen. Hat er etwa doch – wie jetzt in Teilen der Presse gefragt wird und wie es von Václav Klaus immer vermutet wurde – undurchsichtige Verbindungen nach Moskau? Oder ist es simpler Populismus – in der Hoffnung mit einer EU-kritischen Politik der Verteidigung vermeintlicher nationaler Interessen Punkte beim Wahlvolk zu sammeln? Die Außenpolitik als eine Geisel der Innenpolitik – auch das keine schöne Vorstellung. Es gab Zeiten, da bemühte sich Prag zumindest um ein außenpolitisches Profil, die Schlüsselwörter waren Menschen- und Bürgerrechte. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.