Wenn Feuer und Wasser aufeinander treffen
Während sich Premier Sobotka mit dem Kompromiss zum Beamtengesetz zufrieden zeigt, äußern Präsident und Experten lautstark Kritik. Minister Dienstbier bangt um EU-Gelder
3. 9. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: VČR
Bei der entscheidenden Verhandlung zum Beamtengesetz war einer der rot gepolsterten Stühle im Verhandlungssaal des Regierungsamtes leer geblieben. Eigentlich sollte dort der Federführende bei der Ausarbeitung des umstrittenen Gesetzes sitzen. Seine Abwesenheit erklärte der Minister für Menschenrechte und Vorsitzende des Legislativrates Jiří Dienstbier auf seinem Facebook-Profil so: „Ich lehne es ab, Verantwortung für den neuen Entwurf zu übernehmen.“ Und: „Ich werde das Kabinett darum bitten, mich des Verhandlungsauftrags mit der Europäischen Union in dieser Sache zu entbinden.“ Damit steigt der Sozialdemokrat nach monatelangen Vorbereitungen aus einer Gesetzesinitiative aus, die im Koalitionsvertrag unter dem Programmpunkt „Entpolitisierung des öffentlichen Dienstes“ zu finden ist. Für Oppositionsführer Miroslav Kalousek (TOP 09) war das ein gutes Zeichen.
Das Beamtengesetz: 2002 machte Brüssel die baldige Reform des öffentlichen Dienstes zu einer Beitrittsbedingung für die Tschechische Republik. Seitdem wurden etliche Versionen ausgearbeitet, doch bis auf kleinteilige Novellierungen landeten sie nach erfolglosen Abstimmungen oder Regierungskrisen immer wieder in den Schubladen der Gesetzgeber. Es geht um ein politisch heikles Unterfangen: Der Einfluss der Regierung auf die Personal- und Arbeitssituation in Ministerien und Staatsbehörden soll zurückgehen. Die gängige Praxis, nach Neuwahlen die gesamten Führungspositionen bis hinunter zur Ebene der Abteilungsleiter nach dem Geschmack der neuen Minister auszutauschen, soll verboten werden. Genau das wird von Experten seit Jahren als einer der Hauptgründe für die Korruptionsanfälligkeit und Ineffizienz der Staatsverwaltung angesehen – auch von der Europäischen Kommission, die Prag nun ein Ultimatum gestellt hat: Solange die Beamtenreform nicht umgesetzt ist, gibt es kein Geld aus Brüssel.
Streitpunkt Generaldirektion
Das nun mit Dienstbier ausgerechnet der Verhandlungsführer die Finger von diesem Reformprojekt lässt, das er bislang mit viel Verve vorangetrieben hat, dürfte die Kommission stutzig machen. Und auch seine Aussage, er könne nun nicht mehr garantieren, dass das Beamtengesetz den Anforderungen Brüssels gerecht wird.
Ex-Finanzminister Kalousek aber betrachtet Dienstbiers Entwurf, der von Organisationen wie Transparency International als vorbildlich eingestuft wurde, als „Gefahr für die Demokratie“. „Da könnten wir gleich die Wahlen abschaffen“, meint Kalousek und gibt zu bedenken, dass eine zu mächtige Beamtenriege nicht mehr vom wählenden Volk zu kontrollieren sei.
Als größter Streitpunkt kristallisierte sich dabei die sogenannte Generaldirektion des Öffentlichen Dienstes heraus – eine Art Aufsichtsbehörde, die klare Regeln für eine professionelle Beamtenschaft garantieren und für einen ausgewogenen Einfluss von Politikern und Beamten auf die Besetzung von Schlüsselpositionen einstehen sollte. „Die Generaldirektion ist für ein funktionierendes Beamtengesetz absolut notwendig“, sagte Premier Bohuslav Sobotka (ČSSD) noch vor wenigen Wochen. Dann aber drohte die Opposition aus Bürgerdemokraten (ODS) und TOP 09 damit, die Einkommenssteuerreform mit einer Hinhaltetaktik im Parlament lahm zu legen. Ein Haushaltsloch von mehreren zehn Milliarden Kronen drohte.
Zeman kündigt Veto an
Am vergangenen Wochenende sagte der Regierungschef der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“: „Wir leben nicht in einer idealen Welt und für solche Gesetze ist eine breite Unterstützung über die Regierung hinaus nötig. Feuer und Wasser haben sich geeinigt, aber es entsteht deswegen keine nationale Front.“ In Abwesenheit von Dienstbier haben sich Opposition und Regierung auf einen Kompromiss verständigt, den Radim Bureš, Programmdirektor von Transparency International in Tschechien, scharf kritisiert. „Eine öffentliche Diskussion dazu hat nicht stattgefunden. Und die politische lief hinter verschlossenen Türen ab“, sagt Bureš.
Herausgekommen ist ein Vorschlag, der keine Generaldirektion vorsieht. Der Einfluss der Regierung auf die Personalpolitik an den Ministerien bleibt damit laut Experten nahezu unverändert. Nichtsdestotrotz: In der zweiten Lesung hat allein die rechtspopulistische Partei „Morgendämmerung“ (Úsvit) gegen den Vorschlag gestimmt. 150 von 154 anwesenden Abgeordneten votierten für das Beamtengesetz, das Dienstbier einen „billigen Abklatsch“ seiner Initiative nennt.
In der kommenden Woche will Sobotka die lang erwartete Novelle verabschieden lassen. Präsident Zeman hat bereits sein Veto angekündigt. Er wolle keine „30 Taugenichtse“, so Zeman in einem Interview mit dem Tschechischen Fernsehen. Damit spielt er auf die jeweils zwei Staatssekretäre an, die dem aktuellen Entwurf zufolge an den 15 Ministerien arbeiten sollen und dabei „nichts tun als Gehälter in Höhe von hunderttausenden Kronen zu kassieren“. Premier Sobotka hat bereits angekündigt, das Veto des Präsidenten überstimmen zu wollen.
„Wie 1938“
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