Tod am Münchner Platz
Neue Dauerausstellung thematisiert Dresden als Ort politischer Strafjustiz
12. 12. 2012 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: Gedenkstätte Münchner Platz Dresden
Zwischen Dresden und Prag bestehen allein aufgrund der geographischen Nähe zahlreiche historische Verbindungen, die in vielen Fällen als positive Beispiele einer fruchtbaren Symbiose zwischen Sachsen und Böhmen gelten können. Dass es vor allem im 20. Jahrhundert auch dunkle Kapitel dieser Nachbarschaft gibt, ist eine insgesamt wenig verblüffende Tatsache, die jedoch immer wieder überraschende Aspekte zu offenbaren vermag: Es dürfte wenig bekannt sein, dass zwischen 1939 und 1943 etwa 750 Tschechen in Dresden hingerichtet wurden. Zahlreiche weitere wurden im Dresdner Gerichtsgebäude am Münchner Platz – heute eine Gedenkstätte – verurteilt und inhaftiert. Seit Montag erinnert die neu eröffnete Dauerausstellung mit dem Titel „Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet.“ an Opfer und Geschichte der politischen Justiz an diesem Ort.
„Das liegt einerseits an der geografischen Nähe, andererseits war Dresden auch einer der Sitze des Volksgerichtshofs, an dem Prozesse wegen Hoch- und Landesverrat geführt wurden. Es gab sogar einen Ermittlungsrichter, der sich ausschließlich mit tschechischen Angelegenheiten, der sogenannten ,Sondersache Böhmen und Mähren‘ beschäftigte“, erklärt Gedenkstättenleiterin Birgit Sack die hohe Zahl der tschechischen Hingerichteten in der sächsischen Hauptstadt. Knapp zwei Drittel aller Dresdner Todesopfer der NS-Justiz kamen aus dem Nachbarland. Das lag auch daran, dass alle vom „Sondergericht Prag“ ausgesprochenen Todesurteile bis 1943 in Dresden vollstreckt wurden.
Die Geschichte der Justizverbrechen am Münchner Platz setzte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Zunächst schickten hier sowjetische Militärtribunale Menschen in Arbeitslager oder in den Tod, vielfach blieben die Häftlinge ohne Urteil. Zwischen 1952 und 1956 war der Gebäudekomplex am Münchner Platz zentrale Hinrichtungsstätte der DDR-Justiz. In dieser Zeit wurden hier nachweislich 62 Menschen enthauptet; Historiker gehen davon aus, dass die Hälfte von ihnen Opfer einer politischen Strafjustiz war.
Anhand von Namen, Fotografien, Porträts, historischen und persönlichen Dokumenten und Gegenständen wird in der neuen Ausstellung an alle Opfergruppen erinnert. „Das Thema Justizverbrechen ist sehr abstrakt, deshalb stellen wir die konkreten Opfer in den Vordergrund“, so Birgit Sack. Aber nicht nur an die Hingerichteten wird erinnert, wie die Beispiele der „prominenten“ tschechischen Häftlinge Milena Jesenská, Milada Horáková oder der Spejbl-und-Hurvinek-Erfinder Josef Skupa zeigen. Letzterem gelang es, während des Bombenangriffs auf Dresden zu fliehen, Milena Jesenskás Gerichtsverfahren wurde in Dresden zwar gestoppt, die anschließende Auslieferung an die Gestapo und die Einlieferung ins KZ Ravensbrück bedeuteten dennoch ihren Tod.
Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Justiz in Dresden 1933–1945 || 1945–1957, (Gedenkstätte Münchner Platz Dresden), geöffnet: Mo.–Fr. 10–16 Uhr, Sa./So. 10–18 Uhr, www.muenchner-platz-dresden.de
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?