120 Quadratmeter Tschechien
Der Gemeinschaftsstand auf der Frankfurter Buchmesse soll vor allem Übersetzungen ins Deutsche anregen
3. 10. 2012 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: BM Frankfurt
Tschechische Literatur in Deutschland? Schwer zu finden? Nicht in der kommenden Woche. Pavillon 5.0, Stand Nummer B956. So lauten während der Frankfurter Buchmesse die Koordinaten für Liebhaber tschechischer Literatur. Traditionell sind auf der größten Buchmesse der Bundesrepublik die wichtigsten Verlage aus Böhmen, Mähren und Schlesien an einem 120 Quadratmeter großen Gemeinschaftsstand vertreten. Und bereits zum 13. Mal steht der tschechische Stand unter der Obhut derjenigen, die auch für die größte Messe im eigenen Land, der „Svět knihy“ („Buchwelt“), verantwortlich sind. „Neben den Verlegern präsentieren wir in einer Ausstellung die aktuelle tschechische Poesie und Prosa“, verrät Jana Chalupová, Sprecherin des Ausstellers. Tschechien beteiligt sich auch an der großen Comic-Ausstellung der Messe, die am Donnerstag kommender Woche ihre Tore öffnet.
Präsidenten und Preisträger
Auf Bitten der Frankfurter Organisatoren wird zudem der Ende 2011 verstorbene tschechische Staatspräsident und Autor Václav Havel auf der Buchmesse thematisiert: Eine spezielle Sektion ist den Preisträgern des Internationalen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels gewidmet. Dichterpräsident Havel war 1989 in der Paulskirche mit dem Preis geehrt worden. „Neben einer Edition aller schriftstellerischen Werke Václav Havels sowie einiger Veröffentlichungen über ihn haben wir noch eine Ausstellung zu Tomáš G. Masaryk angehängt“, erklärt Chalupová. „Wir schließen sozusagen den Kreis zwischen dem ersten und letzten Präsidenten der Tschechoslowakei. Wir präsentieren Masaryk als Philosophen und herausragende Persönlichkeit der tschechischen Geschichte, der geistesgeschichtlich auch mit Havel zusammenhängt“, so Chalupová weiter.
Das Kulturministerium, das den Großteil der tschechischen Präsentation in Frankfurt finanziert, will vor allem dem Fachpublikum einen möglichst breiten Blick auf die zeitgenössische Literaturszene im Nachbarland bieten. So erfahren die Besucher von Stand B956, wer in Tschechien welchen Literaturpreis gewonnen hat, welche Publikationen für deren besonders gelungene Gestaltung ausgezeichnet wurden, wie sich die tschechische Kinderbuch-Szene entwickelt und mit welchen Lehrbüchern man effektiv die tschechische Sprache erlernt.
Die Frankfurter Buchmesse richtet sich – im Gegensatz zur zweitgrößten deutschen Literatur-Schau in Leipzig – mehr als an die Leser selbst, an das Fachpublikum. Mit rund 7.400 Ausstellern aus über 100 Ländern handelt es sich um die größte Buch- und Medienmesse der Welt. Der Fokus der 64. Ausgabe liegt auf der Jugend, deren Lesegewohnheiten und den Einfluss Neuer Medien auf Literaturszene und -vertrieb. Trotz ihrer Ausrichtung auf die Fachbesucher bietet die Literatur-Messe am Main vom 10. bis 14. Oktober auch für Leser Programm satt: Allein aus dem Gastland Neuseeland reisen mehr als 60 Autoren an. Auf rund 3.000 Veranstaltungen lesen Schriftsteller-Größen wie Herta Müller, Hakan Nesser oder Simon Beckett.
Lieblingsbuch und Geheimtipp
Als einzige tschechische Vertreterin tritt in Frankfurt Markéta Pilátová am Donnerstag, 11. Oktober auf. Sie stellt ihr jüngst ins Deutsche übersetzte „Mein Lieblingsbuch“ vor. Am darauffolgenden Tag stellt sich die Autorin dann am tschechischen Stand persönlich den Fragen der Leser. -> Nichts als Sehnsucht
„Frankfurt bietet den tschechischen Verlagen die größte Möglichkeit, ihre Autoren für den wichtigen deutschsprachigen Markt zu präsentieren“, sagt Chalupová. Und wie lautet der persönliche Geheimtipp der Literaturexpertin für die deutschen Verlage? Die junge Brünner Autorin Kateřina Tučková und ihr Roman „Die Vertreibung der Gerta Schnirch“ („Vyhnání Gerty Schnirch“). Die 400-seitige literarische Aufarbeitung der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte der deutsch-tschechischen Familie Schnirch beschreibt unter anderem den sogenannten „Todesmarsch von Brünn nach Pohořelice“ und überzeugte vor zwei Jahren die Jury des wichtigsten tschechischen Buchpreises „Magnesia litera“.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?