„Wir müssen Ausländern die Chance geben, sich zu integrieren“

„Wir müssen Ausländern die Chance geben, sich zu integrieren“

Laut Migrationsexpertin Magda Faltová gibt es in Tschechien viele Hürden für Ausländer, die politisch aktiv werden wollen

1. 10. 2014 - Text: Martin Nejezchleba, Foto: Sdružení pro integraci a migraci

Magda Faltová ist Leiterin der „Vereinigung für Integration und Migration“ (Sdružení pro integraci a migraci). Im Gespräch mit ihr erfuhr PZ-Mitarbeiter Martin Nejezchleba, dass sich in der Politik kaum jemand für Einwanderer interessiert. Ein Grund dafür sei, dass die wenigsten Ausländer in Tschechien wählen dürfen. Faltová möchte das ändern.

Frau Faltová, wie steht es um die Möglichkeiten von Ausländern, sich am politischen Geschehen in Tschechien zu beteiligen?

Magda Faltová: Im Grunde genommen haben sie keine Partizipationsmöglichkeiten. Bislang durften nur EU-Bürger mit dauerhaftem Aufenthalt wählen – bei den Kommunal- und Europawahlen. Nun dürfen laut Innenministerium also endlich auch EU-Ausländer mit „vorübergehendem Aufenthalt“ wählen. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Wir bemühen uns aber um eine Inklusion aller Ausländer mit dauerhaftem Wohnsitz – im Moment geht es uns vor allem um die kommunale Ebene.

Wie steht es um das Recht von Ausländern, sich selbst politisch zu engagieren?

Faltová: Was etwa die Parteimitgliedschaft anbelangt, treffen wir hier auf eine weitere Barriere. Das Gesetz ermöglicht es Ausländern nicht, einer Partei beizutreten. Die Parteien gehen damit unterschiedlich um: Die Grünen etwa ignorieren das – und so lange keiner eine Mitgliedschaft anfechtet, ist das auch kein Problem. Bei der ČSSD gibt es eine spezielle Art von Mitgliedschaft für Ausländer, andere nehmen tatsächlich keine Ausländer auf. Die etablierten Parteien wissen von dem Verbot, neue Parteien haben davon aber zum Großteil noch nie gehört und verstoßen dagegen.

Und dürfen Ausländer gewählt werden?

Faltová: Prinzipiell ja. Allerdings: Sie dürfen zwar im Stadtrat sitzen, das Amt eines Bürgermeisters oder stellvertretenden Bürgermeisters dürfen sie aber nicht ausüben. Das ist eine weitere Diskriminierung, denn auf die Spitzenplätze der Kandidatenlisten werden natürlich nur Leute gesetzt, die auch wirklich Bürgermeister werden können.

Warum lassen das die Parteien zu? Wahlberechtigte Ausländer sind doch auch potentielle Wähler.

Faltová: Weil die Anzahl der Ausländer, die wählen möchten, nicht so groß ist und weil es ihnen an politischen Visionen bezüglich der Integration fehlt. Es ist einfacher, das Thema zu ignorieren, denn wenn man sich für Ausländer einsetzt, wird das natürlich nicht nur positiv aufgenommen.

Wenn Ausländer so wenig politisches Interesse zeigen, warum ist es dann eigentlich so wichtig, dass sie auch wählen können?

Faltová: Es ist sehr schade, dass man ihnen die Möglichkeit zur politischen Teilhabe verwehrt. Der demokratische Wert von Wahlen ist doch der, dass Menschen in einer Gesellschaft das Recht haben, diese mit zu beeinflussen. Freilich lässt sich bei den Parlamentswahlen darüber streiten, ob sich Menschen anderer Nationalität an der Formulierung sogenannter Staatsinteressen beteiligen dürfen. Aber das Recht, an Kommunalwahlen teilzunehmen, sollte auf jeden Fall mit dem dauerhaften Aufenthaltsstatus entstehen. Die Leute leben hier und wir fordern von ihnen, dass sie sich integrieren. Deshalb müssen wir ihnen die Chance geben, politisch aktiv zu werden. Indem man das Wahlrecht erteilt, gibt man den Menschen Verantwortung und gleichzeitig ein klares Signal: Wir möchten, dass ihr euch in die Gesellschaft eingliedert. Dass vielleicht anfangs wenige Menschen davon Gebrauch machen, ist ein ziemlich schwaches Argument. Schließlich ist auch die Wahlbeteiligung unter den Tschechen gering.

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