Rückkehr in das Land der Ahnen
Antrag der Wolhynien-Tschechen sorgt für Verwirrung
8. 10. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: Amba
Miloš Zeman hatte in den vergangenen Tagen viel zu tun. So viel, dass der tschechische Präsident zu Beginn dieser Woche immer noch damit beschäftigt war, von ehemaligen und aktuellen Ministern Geschenke zu seinem 70. Geburtstag entgegenzunehmen. Gefeiert hatte er diesen bereits am 28. September. Danach musste er Verfassungsrichter und Botschafter ernennen, die Maschinenbaumesse in Brünn eröffnen und sich natürlich in das politische Geschehen einschalten. Vor allem machte sich Zeman für Tschechen in der West-Ukraine stark und mischte sich dabei in die Belange von Außenminister Lubomíř Zaorálek (ČSSD) ein.
Etwa 230 Wolhynien-Tschechen sollen in der vergangenen Woche die sogenannte Repatriierung beantragt haben, um in das Land ihrer Vorfahren zurückzukehren. Bereits im März hatten rund 40 Familien aufgrund des Ukraine-Konflikts um eine Rückführung nach Tschechien gebeten. Doch der Außenminister sah zu dieser Zeit keinen Anlass für eine solche Aktion. Sein damaliger Standpunkt, die Sicherheitslage in dieser Gegend sei nicht bedrohlich, galt auch nach seinem Besuch im ukrainischen Schitomir vor etwa drei Wochen. Das sehen die betreffenden Familien anders: Von steigender Kriminalität und einem Gefühl der Angst ist die Rede. Da ihnen ein Rückkehrer-Programm von offizieller Stelle verweigert worden war, wandten sich die Wolhynien-Tschechen direkt an Präsident Zeman. In ihm scheinen die Auslandstschechen nun einen starken Verbündeten gefunden haben.
In einem Gespräch mit Außenminister Zaorálek zeigte sich Zeman am Freitag tief unzufrieden mit der Arbeit des tschechischen Botschafters in Kiew, da er sich der Sorgen der Minderheit nicht genügend annehmen würde. „Der Botschafter hat kein gutes Verhältnis zu den Wolhynien-Tschechen“, behauptete Zeman. Denn er könne sich einfach nicht erklären, warum er aus Kiew eine Mitteilung bekommen hätte, wonach nur drei Familien eine Repatriierung beantragten. „Und wenig später halte ich eine Liste mit 232 Unterschriften in den Händen – für mich ist das ein klarer Widerspruch“, sagte der Präsident. Es sei denn: „Eine Familie bestünde aus 80 Mitgliedern. Aber das ist eher unwahrscheinlich.“
Offene Türen
Sowohl der Botschafter in der Ukraine Ivan Počuch als auch Minister Zaorálek widersprachen ihm darin, dass die tschechische Vertretung in Kiew schlecht arbeiten würde. Die Türen für die Wolhynien-Tschechen stünden immer offen, betonten beide Diplomaten. Počuch meinte, von der Rückkehrerliste habe er erst aus den Medien erfahren.
In den Zahlenstreit mischte sich auch Regierungschef Bohuslav Sobotka (ČSSD) ein, der die Angelegenheit in Ruhe klären möchte. „Wir müssen die ganze Sache überprüfen. Denn bisher wissen wir noch nicht einmal genau, wie diese Unterschriftenliste zustande gekommen ist“, sagte er gegenüber dem Tschechischen Fernsehen. Angeblich sei auch der offiziellen Vertreterin der Wolhynien-Tschechen in Schitomir nichts über eine solche Liste bekannt.
Geht es Präsident Zeman in Wahrheit gar nicht so sehr um den Wunsch der Wolhynien-Tschechen und verfolgt er eher eigene Interessen? Einen solchen Verdacht legt ein Artikel der Tageszeitung „Lidové noviny“ nahe. Dort hieß es im August, Zeman wünsche sich einen anderen Botschafter in Kiew. Doch Minister Zaorálek habe seinen Kandidaten Antonín Murgaš, den Sprecher einer Maschinenbaufirma, die enge Kontakte nach Russland und in die Ukraine unterhalte, damals abgelehnt.
Präsidentensprecher Jiří Ovčáček wollte sich am Montag zu diesen Spekulationen nicht äußern, sondern ausschließlich Stellung zum vermeintlichen Antrag der Wolhynien-Tschechen beziehen. Am 18. Oktober wird Zeman die Liste mit den Namen der Ausreisewilligen dem Innenminister übergeben und ihn darum bitten, die Situation zu lösen. Am besten noch in diesem Jahr.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“