Blick in die Presse
Kommentare zu den Kommunal- und Senatswahlen in Tschechien sowie zum Bau des Amazon-Zentrums bei Prag
15. 10. 2014 - Text: PZText: zusammengestellt und übersetzt von Josef Füllenbach; Foto: APZ
Wahlgeschenke | Das Wochenmagazin „Reflex“ schaut mit Sorge auf den Ausgang der Kommunalwahlen, bei denen die Bewegung ANO des Finanzministers, Milliardärs und Medienmoguls Andrej Babiš erneut einen fulminanten Sieg eingefahren hat: „Die diesjährigen Kommunalwahlen krönten den Zerfall der traditionellen liberalen Politik. Andrej Babiš (…) eroberte Prag, das ihm TOP 09 gemeinsam mit der ODS auf einem silbernen Tablett servierte. Und die Sozialdemokraten schenkten ihm Brünn. (…) Noch wissen wir nicht so ganz, wem wir da die Tür geöffnet haben, aber wer will, der erkennt, mit wem wir die Ehre haben. (…) Es geht in Wirklichkeit um ein völlig neues unternehmerisches Projekt eines Mannes, der, auch wenn er der bravste Mensch auf der Welt wäre, allein mit seiner ungeheuren ökonomischen, politischen und medialen Macht einen Angriff auf die liberale Demokratie darstellt.“
Bulldozer | Auch das Online-Medium „Echo24.cz“ schätzt das Wahlergebnis kritisch ein: „Man kann annehmen, dass der Prager Magistrat für Babiš am wichtigsten war, weil sich hier der Eindruck eines Bulldozers erfüllt, dem man entweder aus dem Weg oder unter ihm zugrunde geht. Der Anschein der Unbezwingbarkeit ist Teil des bisherigen Erfolgs von Babiš. (…) Über seinen unglaublichen Interessenkonflikt, Finanzminister und weiterhin Eigentümer eines großen Konglomerats zu sein, Politiker zu sein und gleichzeitig landesweite Zeitungen und Radiosender zu besitzen, wurde schon viel gesprochen. Einstweilen ist das Risiko, dass aus uns ein Balkan mit kälterer Witterung wird, der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln.“
Slowaken vorn | Die slowakische Tagezeitung „SME“ freut sich dagegen – nicht ohne Stolz – über das Wahlergebnis, denn „nach der Gesamtzahl der Stimmen hat die Bewegung des Slowaken Babiš gewonnen.“ Und sollte „es ANO gelingen, in Prag eine Koalition zu bilden, könnte die Slowakin Adriana Krnáčová Oberbürgermeisterin der tschechischen Metropole werden.“
Politische Leiche | Die Wochenzeitschrift „Respekt“ vermisst ein klares Wort des Außenministers Lubomír Zaorálek, während Präsident Zeman die tschechische und EU-Politik gegenüber Russland immer ostentativer konterkariert. „Zwar sollten die staatlichen Institutionen und ihre Repräsentanten einander auch bei unterschiedlichen Ansichten Respekt bewahren, der aber sollte nicht – besonders in grundsätzlichen Fragen – in berechnende Unterwürfigkeit abgleiten. Genau das aber droht Zaorálek. Es geht nicht nur darum, dass Prag in den Augen der Verbündeten, was immer mehr ausländische Diplomaten zu verstehen geben, sehr unberechenbar ist. Das Problem besteht darin, dass es Minister Zaorálek passieren kann, sich im Interesse der Erhaltung seiner politischen Funktion in eine ‚politische Leiche’ zu verwandeln, wenn er es zulässt, dass die Außenpolitik der Regierung statt von ihm vom Präsidenten bestimmt wird.“
Höchste Zeit | Die Prager „Literaturzeitung“ glossiert eine Investitionsverlagerung der besonderen Art: „Endlich! Die Firma Amazon kann mit dem Bau ihres Distributionszentrums in Dobrovíz beginnen. Und damit ist das peinliche Zuwarten beendet, während dem der Investor wegen diverser dubioser Proteste seine Pläne für ein Zentrum nahe Brünn aufgeben musste und sich das Projekt in Dobrovíz um ein Jahr verzögerte. Und dabei war es wahrhaftig schon höchste Zeit: In Deutschland streiken die Beschäftigten von vier Lagerzentren und drohen der Firma, dass sie auch über Weihnachten streiken werden. Zudem streikten sie auch letztes Jahr, weil sie schon lange Zeit gegen den extremen Leistungsdruck, die Nichteinhaltung von Arbeitsbedingungen, die zu hohe Zahl von Zeitverträgen und niedrige Löhne protestieren. Höchste Zeit also, nach Tschechien auszulagern!“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“