In der Welt des virtuellen Geldes

In der Welt des virtuellen Geldes

Unternehmer Martin Stránský betreibt Bankautomaten für Bitcoins. Als Zahlungsmittel stehen solche Währungen in Tschechien noch am Anfang

15. 10. 2014 - Text: Corinna Anton

Ein Geldautomat für virtuelle Währungen? Das klingt widersprüchlich, denn wie der Name schon sagt, gibt es bei virtuellen Währungen weder Scheine noch Münzen – sie haben keinen materiellen Gegenwert. In Tschechien stehen dennoch sieben solche Automaten, so viele wie in keinem anderen europäischen Land. Kunden können dort zum Beispiel Kronen einzahlen und bekommen dafür virtuelles Geld in ihre digitale Börse; an manchen ist es auch möglich, das virtuelle Geld zu verkaufen, dann spuckt der Automat Kronen aus. Betreiber dreier sogenannter Bitcoinmaten ist der Prager Unternehmer Martin Stránský. Er gründete im März dieses Jahres eine Firma, die Geldautomaten für die virtuelle Währung Bitcoin betreibt und Interessenten berät. Zum Interview lädt der 50-Jährige ins Kundenzentrum im Prager Stadtteil Smíchov ein: ein Raum, dessen Wände so gelb sind, dass sie fast blenden. Stránský und ein Kollege sitzen an Glastischen, im hinteren Bereich zieren hellgraue Vorhänge die Wände, davor hängen Bilder mit moderner Kunst. Das Kundenzentrum sei zugleich Galerie, erklärt der Unternehmer. Als Besucher fühlt man sich der virtuellen Welt ein Stück näher.

Herr Stránský, wie würden Sie in wenigen Worten erklären, was eine virtuelle Währung ist?

Martin Stránský: Ich bin kein Techniker oder IT-Spezialist. Für mich sind virtuelle Währungen vor allem ein Phänomen unserer Zeit. Der Wert des Bitcoins ist de facto das gegenseitige Vertrauen der Menschen in den Wert dieser Währung. Denn es handelt sich um eine immaterielle Sache, die nicht existiert, die man nicht anfassen kann. Es gibt einfach einen Menschen irgendwo auf der Welt, der zum Beispiel ein Bitcoin hat und einen zweiten am anderen Ende der Welt, der ihm glaubt, dass der Bitcoin einen bestimmten Wert hat.

Wer interessiert sich für solche Währungen?

Stránský: Währungen wie der Bitcoin sind für jemanden interessant, der entweder investieren und damit spekulieren will, oder für jemanden, der Bitcoins für Zahlungen verwendet, zum Beispiel im Internet oder ins Ausland. Kürzlich kam eine ältere Dame zu uns, um eine Zahlung nach Amerika zu senden. Sie wusste überhaupt nichts darüber; wir wissen nicht, wofür sie bezahlt hat. Mein Kollege hat ihr erklärt, wie der Automat funktioniert, und sie konnte ihre Zahlung durchführen.

Seit Mai betreiben Sie in der Hauptstadt ein Kundenzentrum mit einem Geldautomaten für Bitcoin-Transaktionen, einen weiteren gibt es in Prag im Slovanský dům, außerdem steht einer in Brünn. Wie groß ist das Interesse?

Stránský: Es sind etwa 50 Menschen, die zu uns ins Kundenzentrum kommen. Wie viele Menschen Bitcoins nutzen, um damit online zu zahlen, weiß ich nicht. Aber ich glaube, insgesamt sind es in Tschechien immer noch sehr wenige. Die Verwendung als Zahlungsmittel steht noch absolut am Anfang, ich würde sogar sagen, wir sind zwei, drei Jahre vor dem Anfang. Denn für den Gebrauch als Zahlungsmittel ist die Volatilität des Kurses, die für Spekulanten interessant ist, sehr gefährlich. Wenn Sie sich zum Beispiel eine Brille für 3.000 Kronen kaufen möchten und wir Ihnen heute ausrechnen, wie viel Bitcoins das sind, kann es passieren, dass der Kurs sehr schnell fällt und die gleiche Summe plötzlich nur noch 2.500 Kronen wert ist. Es kann natürlich auch sein, dass es 3.500 Kronen sind.

Wie sieht es in Tschechien im Vergleich zu anderen Ländern aus? Ist das Interesse in Deutschland zum Beispiel größer?

Stránský: Das weiß ich nicht, aber ich kann sagen, dass wir sehr gerne nach Deutschland expandieren würden. Wir waren vor wenigen Tagen in München, um mit Herstellern von Automaten zu verhandeln. Wir haben jedoch ein Problem mit der deutschen Gesetzgebung, mit der Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Anm. d. Red.) ist das nicht so einfach. Wenn wir Automaten in Deutschland aufstellen möchten, bräuchten wir eine Lizenz, aber bisher kann uns niemand genau sagen, welche Lizenz das ist und wie wir sie bekommen. Im Moment sind wir auf der Suche nach jemandem, der uns beraten kann oder Interesse hat, sich zu beteiligen.

Apropos Gesetzgebung. Wie sieht es mit dem Finanzamt aus? Sind virtuelle Währungen auch Möglichkeiten, Steuern zu umgehen?

Stránský: Das glauben viele, aber das stimmt nicht. Wir wollen eine Infrastruktur aufbauen, für Leute, die Bitcoins wegen der technischen Innovation und der schnellen Transaktion verwenden wollen. Wir zielen auf Kunden ab, die verstehen, dass es sich dabei nicht um ein Schwarzsystem handelt, nicht um etwas, womit man Steuern umgehen kann. Damit wollen wir nichts zu tun haben.

Wie sind Sie persönlich auf den Bitcoin gekommen?

Stránský: Ich hatte dieses Jahr einen runden Geburtstag und wusste nicht, was ich mir wünschen sollte, dann habe ich mich entschieden, dass ich mir eine Firma schenke, ein Start-Up. Meine Frau war nicht begeistert, weil das natürlich viel Arbeit ist. Aber das Thema hat mir gefallen. Natürlich ist es ein Risiko, alle Investitionen können weg sein. Aber andererseits, wenn es gelingen sollte, was könnte ich erreichen? Ich habe mir eine liegende Acht vorgestellt – das Zeichen für das Unendliche.

Wann haben Sie Ihren ersten Bitcoin gekauft?

Stránský: Das war im März vergangenen Jahres, für 115 Dollar.

Was ist ein Bitcoin jetzt wert?

Stránský: Derzeit sind es etwa 350 Dollar, aber es kann sich schnell ändern. Im November vergangenen Jahres waren es zum Beispiel 1.200 Dollar.

Die Fragen stellte Corinna Anton.

 

Virtuelle Währungen und Bitcoin
Virtuelle Währungen werden vor allem für Zahlungen im Internet verwendet. Geläufig sind sie zum Beispiel bei Computerspielen. Die Zahlung erfolgt direkt von Nutzer zu Nutzer, ohne Beteiligung einer Bank. In Tschechien ist der Bitcoin die bekannteste virtuelle Währung. Kürzlich bezahlte an der privaten Hochschule für Informatikmanagement, Wirtschaft und Recht (VŠMIEP) erstmals ein Student seine Studiengebühren in Bitcoins. Bisher ist die VŠMIEP die einzige Hochschule, die Bitcoins akzeptiert. Branchenexperten schätzen, dass Kunden in Tschechien in etwa 120 Geschäften mit Bitcoins bezahlen können. Das Unternehmen oXy Online, das sich auf Online-Vertrieb spezialisiert hat, zahlt seit diesem Jahr seinen Angestellten einen Teil der Löhne in Bitcoins aus.
Die Währung existiert seit 2009, allerdings ist bis heute nicht sicher, wer hinter Satoshi Nakamoto, dem Pseudonym des Erfinders, steht. Der Wert eines Bitcoins ergibt sich ausschließlich aus Angebot und Nachfrage. Der Kurs kann daher jederzeit stark schwanken.   (ca)